Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen
Atlanta gefahren, wenn ...«
Ich reiße meine Augen auf, so weit ich kann. Hänge sie zum Trocknen raus. Hoffe, dass sie nichts merkt. Nein. Sie sieht nur dem Rauch hinterher, der aus ihrem Mund aufsteigt.
»Wow. Dann war er ja ein Star.«
»Stabhochsprung ist nicht so beliebt bei uns in Kroatien. Vielleicht ein Nachwuchsstar.«
Wenn ich über meinen Bruder rede, klinge ich immer wie eine langweilige Oma. Vielleicht tue ich es deswegen nie.
»War das nicht schwierig für dich, als ...«
»Na ja. Irgendwie hat mir Darios Tod auch dabei geholfen, damit zurechtzukommen, dass ich meinen Vater erschossen habe.«
»Inwiefern?«
»Wenn du schon aus Versehen dein Haus anzündest, ist es wenigstens ein kleiner Trost, wenn das Haus deines Nachbarn auch Feuer fängt.«
»Dein eigener Bruder ist doch wohl was anderes als das Haus von einem blöden Nachbarn.«
»Ich weiß. Ich will ja auch nur sagen, dass der Tod meines Bruders nach dem Tod meines Vaters kein so großer Schock war, wie er es sonst gewesen wäre. Man hat nun mal keine zwei ASMs.«
»ASMs?«
»Allerschlimmster Moment.«
»Dann war der Mord an deiner Freundin und dein Unfall hier also nicht so schlimm?«
»Nein. Als du mich zurückgewiesen hast, weil du dachtest, ich bin ein Priester ... das war schlimm.«
Sie lächelt und sagt dann: »Aber dann habe ich gemerkt, dass du ein Massenmörder bist, und mich sofort in dich verliebt.«
Sie lacht. Ich behalte das Wort »verliebt« im Ohr und erlaube meinem Gehirn, es zu liebkosen wie ein alter Mann, der einen Welpen in den Händen hält.
»Du bist krank«, sage ich.
»Ja. Liebeskrank«, sagt sie, lässt ihre Zigarette in die halbleere Gatorade-Flasche fallen, die neben dem Futon auf dem Boden steht, und packt mein Gesicht. Ich lächele mein zerbeultes Lächeln. Sie legt den Zeigefinger an meinen Mund und verdeckt mit der Fingerkuppe die Stelle, wo mir der Zahn fehlt. Auge um Auge, Finger um Zahn. Sie lässt ihn eine Weile da, bevor sie ihn wegnimmt, um mich zu küssen.
Sie küsst mich wie ein Inselmädchen, das einen hässlichen Schiffbrüchigen am Strand findet. Er ist aufgequollen und übel zugerichtet, sein Gesicht lachsforellenrot, er ist steif wie ein einziges großes Stück Fleisch und kann kaum seine Zunge bewegen. Sie hilft ihm.
28. INDISCHER SOMMER
Man sagt, der isländische Sommer dauert nur sechs Wochen. Vom letzten Wochenende im Juni bis zum ersten im August. Man sagt auch, dies wäre die Zeit, um sich zu verlieben. Das Problem ist nur, dass das ganze eisige Land zu dieser Zeit rund um die Uhr so hell ist wie der Madison Square Garden während eines Spiels der New York Knicks. Kein Schatten, keine dunklen Ecken. Keine Chance, etwas zu verstecken, ein Auto zum Beispiel, oder einen Kuss.
Wir haben uns darauf geeinigt, dass Gunnhildur lieber nicht mehr ins Gastarbeiterlager kommt. Bis wir einen Termin festgelegt haben, wollen wir ihre Eltern aus der Sache raushalten. Die Seven-Elevens sind nicht das Problem, aber Balatov könnte eins sein und Gut Nie wäre auf jeden Fall eins. Aber meine geniale Geliebte hat auch dafür eine Lösung gefunden. Sie hat festgestellt, dass eine ihrer Freundinnen bei Mahabharata arbeitet, dem indischen Möbelladen auf der anderen Seite des Parkplatzes. Ich muss mich nur um Mitternacht hinausschleichen und einen kleinen Spaziergang durch unser verlassenes Viertel machen, kurz den Möwen Hallo sagen und mich dann am Hintereingang des Möbelladens einfinden, wo Gunnhildur in ihrem kleinen roten Fabia wartet, frisch vom Massagekurs oder von einer Versammlung des Tarantino-Fanclubs.
Sie hat den Schlüssel und den Code für das dauerblinkende Securitas-Ding an der Wand neben dem Eingang. Wir gehen durch das Büro in den Laden. In einer Ecke stehen drei King-Size-Betten, die alle in Indien von zwölfjährigen Wunderkindern zusammengezimmert worden sind. Wir haben sie alle ausprobiert, das Modell hinter dem Kama-Sutra-Raumteiler ist das sicherste, da man es von den Fenstern aus nicht sieht. Also haben wir es doch geschafft, eine zumindest halbdunkle Ecke in dieser aufgedrehten Helligkeit zu finden. Und indem ich die Hindu-Handarbeit zum Quietschen bringe, kann ich sogar noch das Andenken meiner verblichenen Geliebten ehren. Das Bett hält alle unsere Leibesübungen aus. Diese Inderkinder verstehen ihr Handwerk.
Unsere Nächte im Mahabharata sind wohl eine der besten Auswirkungen der Globalisierung. Der Kroate feiert seinen Indian Summer in Island mit französischem
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