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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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Champagner, japanischem Sushi und muskelentspannender Thai-Musik. (Gunnhildur hat alles dabei.) Die Kondome kommen aus Manchester/England und die Zigaretten aus Richmond/Virginia, der Heimatstadt von Father Friendly. Nein, sie raucht nicht im Laden. Und natürlich passen wir auf, keine Flecken oder BHs zurückzulassen.
    Langsam entfernt Gunnhildur mit ihren Massagen auch die letzten Reste von Munita (inklusive Kopf) aus meinem Gehirn und richtet es mit ihrem eigenen Kram neu ein. Mit indischen Teppichen und Lampen. So wird aus diesem Sexsommer langsam etwas Anderes, Größeres. Durch die Heimlichtuerei ist alles irgendwie intensiver und spannender. Ich versuche, ihr Eis zum Schmelzen zu bringen, während ihre Lernfortschritte im physiotherapeutischen Bereich mein Blut mühelos in flüssige Lava verwandeln. Ich könnte mir sogar vorstellen, jetzt zu sterben und in isländischer Erde bestattet zu werden mit einem Grabstein Tommy Olafs, Tellerwäscher (igyi-2006). Am Ende jedes Treffens sprüht Gunnhildur das Bett mit einem indischen Duftspray ein, das sie im Büro gefunden hat. Bald riecht es wie ein Bordell in Bombay.
    »Das geht schon in Ordnung«, sagt sie. »Wer kauft schon im Sommer ein Bett?« »Warum nicht?«
    »Alle sind viel zu beschäftigt, das alte zu benutzen.«
    Die Isländer sind offensichtlich in der hellen Jahreszeit andere Menschen. Sie hören auf, die Dinge zu tun, die sie normalerweise im Winter machen, wie fernsehen, sich gut anziehen und jeden Tag duschen. Bis vor Kurzem wurde das Fernsehen im Juli noch abgestellt. Der Sommer ist so kurz, dass die Leute sich voll darauf konzentrieren müssen. Wenn die Temperatur fünfzehn Grad übersteigt (ungefähr drei Mal im Jahr), schließen alle Banken und Geschäfte, damit die Angestellten die Hitzewelle genießen können. Man muss einfach Mitleid mit diesen Leuten haben. Diese sechs Wochen gehen wirklich nur im isländischen Wörterbuch als Sommer durch. Das Land der zehn Grad Celsius ist kein Witz. Das ist genau die Durchschnittstemperatur im Juli. Der isländische Sommer ist wie ein Kühlschrank, den man sechs Wochen offen lässt. Das Licht ist die ganze Zeit an und das Gefrierfach taut, aber richtig warm wird es nie, denn ein Kühlschrank bleibt ein Kühlschrank.
    Aber an einem Samstagabend Anfang August sind alle Betten aus dem Laden verschwunden. Gunnhildur ruft ihre Freundin an. Sie dekorieren um für den Herbst, erklärt sie mir. Die neue Sweet Karma-Serie aus der Grundschulmanufaktur in Bombay kann jeden Tag eintreffen. Also setzen wir uns über Torturs Verbot hinweg, und sie fährt mit mir aus der Stadt.
    Es ist ein wunderschöner Abend mit schicken Wolken im Westen, die bei einem feurig-goldenen Sonnenuntergang mitmachen. Wir fahren Richtung Osten, und ich bekomme dieses Frisch-aus-dem-Gefängnis-Gefühl. Endlich bekomme ich etwas anderes zu sehen als Balatov und den Bus Nummer 24, Oles Muttermal und indische Möbel. Die Landstraße führt uns an dem ehemaligen Haus eines berühmten toten Schriftstellers vorbei, offensichtlich das einzige Haus in ganz Island, das einen Pool hat. Jetzt ist da ein Museum. Man kann das Wasser sehen, in dem er geschwommen ist, seine genialen Züge nachvollziehen. Sie will mit mir an den berühmtesten Ort des Landes, Thing-Felder oder so, das erste Open-Air-Parlament der Welt. Wahrscheinlich auch das letzte.
    Auf halbem Weg merken wir, dass unser tschechisches Auto kaum noch Benzin hat. Wir beschließen anzuhalten, laufen ein bisschen in der Mondlandschaft herum und setzen uns in eine Kuhle mit hartem grauem Moos. Leider gibt es weder Bäume, noch indische Raumteiler, um ein heißes Liebesspiel von dem dünnen, aber stetigen Verkehr abzuschirmen, mal abgesehen davon, dass die Temperatur eher zu einem Eishockeyspiel passen würde. Wir geben uns mit einem Kuss und einem Schluck kaltem Bier zufrieden und bewundern unser kleines rotes Auto am Straßenrand vor dem Hintergrund eines tiefblauen Berges unter einer einsamen pinkfarbenen Wolke. Über uns ist der Himmel fast weiß. Irgendein langschnabeliger Vogel fliegt-läuft-und-fliegt in einem Abstand, den er für sicher hält (allerdings in guter Schussreichweite) um uns herum und krakeelt sich die Lunge aus dem Leib. Wir befinden uns wohl in seinem Vorgarten. Das Gespräch wird ernster, wie es wohl kommen muss, wenn das große Fickvergnügen erst mal vorbei ist.
    »Glaubst du, du kannst in Island leben?«, fragt sie.
    »Bleibt mir wohl nichts anderes übrig.«
    Stille,

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