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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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zwanzig Minuten lang die Zähne.
    Wir liegen in ihrem Bett wie Liebhaber aus einer fernen Vergangenheit, in Marmor gehauen, in einer stummen Umarmung gefangen. Nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung, aber aufgrund des besonderen Anlasses stelle ich meine Bedürfnisse hintan: Ich wohne zum ersten Mal mit einer Person zusammen, mit der ich Sex gehabt habe, und außerdem können wir eh nicht schlafen bei dem Eis-Rock, der durch die Wand dröhnt. Ich vermisse Balatov jetzt schon. Nach weiteren dreißig Minuten dieser musikalischen Folter klingt Balatovs Name in meinem Ohr wie der eines berühmten klassischen Komponisten. Die nächste halbe Stunde spielt der arme Kerl immer wieder dasselbe Lied. Ein Sänger schreit, als würde er mit gebrochenem Bein am Boden einer zwanzig Meter tiefen Gletscherspalte liegen.
    »Was singt der da eigentlich?«
    »Sodoma«, antwortet sie mit schwacher Stimme.
    »Was bedeutet das?«
    »Nun ... Du weißt schon. Sodom ...«
    »Wie Sodom und Gomorrha?«
    »Denke ich mal.«
    Das Bibelstudium zahlt sich aus. Irgendwas will der Predigersohn jenseits der Wand uns damit offensichtlich sagen. Gunnhildur klammert sich an mich wie eine sterbende Maus. Dann hat Tröster endlich seine brüderliche Eifersucht abreagiert, und das sodomitische Paar kann einschlafen.
    Zum Glück verbringt der Kranvogel jetzt noch weniger Zeit zu Hause als damals im Frühling, als unser aller Liebling noch ein flüchtiger Verbrecher war und alles etwas aufregender. Langsam passe ich mich an den isländischen Alltag an. Die Vormittage verbringe ich im Internet, googele ohne Erfolg verschiedene Versionen meines Namens zusammen mit »FBI«, »David Friendly« und »Litauische Mafia«, schreibe Mails an Leute, die vielleicht wissen könnten, wo meine gute alte Senka steckt, und Briefe an meine Mutter, die eine Freundin von Gunnhildur mit nach London nimmt und dort abschickt. Um die Mittagszeit stehe ich dann wieder mit den einheimischen Bekloppten an der Bushaltestelle und warte auf die Nummer 6. Der August geht mit ziemlich normalen Sonnenuntergangszeiten vorbei. Ich begrüße die Dunkelheit wie einen alten Freund.
    Die Tortur-Therapie hat sich inzwischen auf einige wenige Kontrollanrufe des Meisters reduziert. Hinzu kommen regelmäßige Besuche der verrückten Gottesdienste in seiner Karatekirche. Bei meinem ersten Besuch hat er mich vor seiner busfahrenden Gemeinde mit großem Hallo willkommen geheißen: »Tommy ist ein guter Isländer und ein lieber Freund! Ein Mann, der die meiste Zeit seines Lebens im Hotel Zur Hölle verbracht hat, aber nun hat er ausgecheckt und ein Zimmer im Himmel gemietet, Gott segne ihn! Halleluja.«
    Die Gemeindemitglieder stehen auf (sitzen tun die eh nicht viel), werfen ihre Hände in die Höhe und wiederholen Torturs Halleluja. Wie ein Gottesdienst in Harlem, nur ohne Choreographie. Ehe ich mich versehe, finde ich mich in der Umarmung eines Leichtbehinderten wieder, der mich an seine kalte Wange drückt: »Velkominn«, sagt er mit einer Stimme, die mich an den Komiker Peewee Herman erinnert. Dann schaltet der Prediger wieder auf Isländisch um, wovon ich zu meiner Überraschung das meiste verstehe.
    »Ihr sollt eure Feinde kennen! Ihr sollt wissen, dass die Sünde unser größter Feind ist! Deswegen laden wir die Sünde auch nicht zu uns nach Hause ein! Wir laden die Sünde nicht zum Abendessen ein! WIR KOCHEN DER SÜNDE NOCH NICHT MAL EINE TASSE KAFFEE!«, schreit er mit seiner Baritonstimme, so bedrohlich, dass er eher wie der Pressesprecher der Hölle klingt als wie ein Sprachrohr Gottes. »Denn die Sünde wird Sahne in ihren Kaffee wollen. Und die Sünde wird Zucker wollen. Und dann wird die Sünde WHISKEY in ihren Kaffee wollen. Und ehe du dich versiehst, trinkt die Sünde IRISH COFFEE! Und DU trinkst mit. Du trinkst mit der Sünde, singst mit der Sünde, tanzt mit der Sünde zu allen ihren Lieblingsliedern! Daher sage ich euch immer wieder: KOCHT DER SÜNDE KEINEN KAFFEE! HALLELUJA!«
    Ich höre, wie ich das letzte Wort zusammen mit der Gemeinde wiederhole, während ich die Pistole unter meinem rechten Fuß spüre. Das kleine Ding passt genau in einen Schuh Größe 46. Ich habe mir ein Paar Turnschuhe mit sehr dicken Sohlen gekauft und dann an dem rechten eine kleine OP vorgenommen, ein Loch in das Fußbett geschnitten, in das die Walther genau hineinpasst. Jetzt wandele ich »auf Gottes Wegen«, wie Gutmunduhr sagt, mit einer Pistole in meinem Schuh. Nicht gerade sehr angenehm, aber

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