Zehn zärtliche Kratzbürsten
einen trockenen Hals, ein Schluck zu trinken täte ihm gut. Tuula verneinte, aber Rauno öffnete den Schrank trotzdem, und tatsächlich fand er das Gewünschte und außerdem ein gerahmtes Foto von Ingenieur Elger Rasmussen: Tuula hatte es hinter der Käseglocke versteckt.
Ohne weiter nachzudenken, schlug Rauno die Tür zu und packte den Schrank mit beiden Armen. Er hatte die Kräfte eines Bären und die Wut eines Vielfraßes, und da wog ein Kühlgerät von hundert Kilo nicht viel. Der Industrierat riss den Stecker aus der Dose und schleppte den Schrank festen Schrittes auf den Balkon, dort donnerte er ihn so heftig auf den Boden, dass es im Inneren des Schrankes noch lange klirrte und klapperte.
Während er die Wohnung verließ, brüllte er, dass er bisher noch nie als Zuchtbulle tätig gewesen sei, besonders nicht für einen tauben Sack aus Dänemark.
Tuula erklärte kurz und knapp, dass er sich mit seiner Vaterrolle abfinden solle und damit basta, es schicke sich nicht, in der Wo h nung einer fremden Frau zu randalieren, auch wenn er ihr Chef sei. Niemand dürfe die Ehre einer Frau verletzen, und jetzt solle er sich davonscheren.
Während der Industrierat das Haus verließ und in Sorjonens Taxi stieg, sagte er sich, dass Tuula tatsächlich ein erstaunliches G e burtstagsgeschenk für ihn gehabt hatte, einen ganzen Menschen, zum Glück sehr süß und lebendig.
Was mit dem dänischen Ingenieur geschehen sollte, galt es erst noch zu klären, und bei Tuula musste er sich entschuldigen. Rauno Rämekorpi gab nicht wirklich gern den brüllenden Stier.
Der aufmerksame Sorjonen hatte inzwischen eine Kühltasche und Eiswürfel besorgt, da der Champagner warm geworden war. Rauno Rämekorpi erzählte, dass er Vater geworden sei. Die Nachricht war auch nach Meinung des Taxifahrers ein wirklicher Knaller, schon allein deshalb war das Eis jetzt nützlich.
5 Sonja
Aufgewühlt durch seine unerwartete Vaterschaft bekam Rauno Rämekorpi Lust, sich zu besaufen. Seine Kehle war trocken. Er hatte schon vormittags Champagner geschlürft, als er den sechzigsten Jahrestag seiner Geburt feierte. Und während er die Blumen verteilte, hatte er mit den Damen das eine und andere Glas geleert, aber das hatte sich im Rahmen gehalten, jetzt jedoch schien ihm eine einde u tigere Reaktion auf das Erscheinen der kleinen Tochter angemessen.
Mit Tuula zu feiern reizte ihn momentan absolut nicht. Auch seine eigene Frau schien ihm in diesem Zusammenhang nicht die geeignete Saufkumpanin zu sein, und Sorjonen musste fahren und konnte nicht auf das Wohl des Babys mittrinken.
Bevor er sich dem Suff ergab, musste er jedoch Tuulas Küh l schrank wieder vom Balkon holen und in die Kochnische schaffen. Was der Mensch in seiner Wut so alles anstellt! Rauno Rämekorpi bat den Fahrer einen Augenblick zu warten, er wolle sich das Baby noch einmal anschauen.
Die verweinte Tuula öffnete ihm. Ohne ein Wort zu sagen, ma r schierte Rämekorpi auf den Balkon und nahm das Kühlgerät wieder in seine bärenhafte Umarmung . Aber jetzt war sein Zorn schon verraucht, die Kraft aus seinen Pranken gewichen. Sie rutschten an den glatten Wänden ab, das Gerät ließ sich nicht heben, ganz zu schweigen davon, dass Rauno das Monstrum wieder an seinen alten Platz hätte schaffen können. Eine peinliche Situation. Tuula versuc h te zu Hilfe zu kommen, aber die Kräfte der jungen Mutter reichten lediglich für ein Schluchzen. Rauno musste Seppo Sorjonen anrufen und um Hilfe bitten.
Zu zweit schleppten sie den schweren Kühlschrank wieder an se i nen angestammten Platz. Den Stecker in die Dose, und schon brummte die Maschine los und produzierte Kälte.
Rauno Rämekorpi registrierte, dass Tuula inzwischen Elger Ra s mussens Foto aus dem Kühlschrank entfernt hatte. Besser so. Rauno hatte es grotesk gefunden, das eitle Gesicht des Kerls zu betrachten, wie es da hinter den Plastikdosen lauerte. Tuula sagte, sie habe das Foto in den Müll geworfen, und bei der Gelegenheit seien auch Elgers Klamotten aus dem Schrank verschwunden.
Rauno Rämekorpi zeigte dem Taxifahrer das Baby. Sorjonen beugte sich über die Wiege und fand, es sei ein schönes Kind.
»Es kommt auch ein bisschen nach dem Vater«, schluchzte Tuula.
Als die Männer gingen, nahmen sie den Müllbeutel mit nach draußen, und Elgers Foto und seine Unterhosen landeten im Conta i ner. Dann aber wollte Rauno Schnaps. Die passende weibliche Gesellschaft mit ähnlichen Vorlieben war ihm inzwischen auch schon
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