Zehn zärtliche Kratzbürsten
Kerl, der, wenn er betrunken war, Raunos kleine Jungen schlug. Die Sozialtanten nahmen die Klagen des Vaters nicht ernst, reagierten überhaupt nicht. Rauno abonnierte in seiner Verzweiflung eine Ouluer Zeitung und studierte beklo m men die Unfallmeldungen, er hatte Angst, seine Söhne könnten überfahren werden oder ihnen könnte sonst etwas Schreckliches zustoßen, da ihr Vater nicht da war, um sie zu beschützen.
Einmal dann hatte Rauno das Gefühlschaos nicht mehr ertragen, sondern sich zu Weihnachten ins Flugzeug gesetzt – damals flog man im Inland noch mit der Caravelle. Der verstoßene Vater war, das kann nicht geleugnet werden, stark betrunken gewesen. Ein Taxi vom Flugplatz in die Stadt und im Sturmschritt hinein in die Wo h nung der Exfrau, um die Kinder zu sehen.
Es war zu einer wüsten Schlägerei mit ihrem neuen Mann g e kommen, es hatte nicht viel gefehlt, und Rauno hätte den Mistkerl umgebracht. Auch die Exfrau hatte sich beteiligt und den Eindrin g ling ins Gesicht geschlagen, aber Rauno hatte sich behauptet, er hatte einen Berg von Geschenken an die Söhne verteilt, hatte sie umarmt und lieb mit ihnen gesprochen, und viele Tränen waren in der Wo h nung geflossen, Tränen des Hasses und der Liebe.
Aber die Exfrau hatte kaltschnäuzig eine Polizeistreife gerufen und dabei vermutlich extra betont, dass ein gewalttätiger und gefäh r licher Betrunkener in der Wohnung randalierte. Die Bullen von Oulu waren mit Maschinenpistolen und Wolfshunden angerückt, um beim Familientreffen zu schlichten.
Außer sich über diese Wendung hatte Rauno heftigen Widerstand geleistet, und in dem ganzen Tumult hatte einer der Wolfshunde seine Zunge eingebüßt, ein Fleischklumpen von ein paar Kilo G e wicht, den Rauno dem Vieh aus dem Maul gerissen hatte. Aber die Übermacht war zu groß gewesen, und Rauno war abtransportiert und in die Zelle gesteckt worden. Da hatte er dann Weihnachten gehockt, am zweiten Feiertag hatte ihn die Kriminalpolizei verhört und ihm sogar mit Gefängnis gedroht. Rauno hatte den vollen Preis für den Polizeihund erstattet, hatte auch dem neuen Mann seiner Exfrau als Entschädigung für die blauen Flecken und die erlittenen Schmerzen eine Summe bar bezahlt.
Er war mit einer Geldstrafe davongekommen, nachdem sich he r ausgestellt hatte, dass der verzweifelte Mann seinen Verstand verl o ren hatte, weil er jahrelange Ungewissheit über das Schicksal seiner Kinder hatte erdulden müssen.
Tarja: Du bist ein schrecklicher Kerl, andererseits kann man es natürlich verstehen. Wenn einer seine Kinder nicht mal sehen darf!
Das öde Weihnachtsfest im Ouluer Polizeigefängnis war eine schlimme Erfahrung gewesen, da hatte es auch nicht viel geholfen, dass Rauno im Flur des Zellentraktes gemeinsam mit den diensth a benden Polizisten einen kleinen Baum hatte schmücken dürfen. Irgendwie war seine Weihnachtsstimmung im Keller gewesen.
Sorjonen traf vor dem Friedhofstor ein. Sie fuhren zu Tarjas Wohnung, wo Sirena schon ganz aufgeregt auf den Weihnachtsmann und den Wichtel wartete.
Rauno Rämekorpi fragte die Kleine, ob sie Weihnachtslieder und -gedichte kennen würde. Als Hilfe gab er zwei Zeilen aus dem üblichen Repertoire des Weihnachtsmannes zum Besten:
Lieber guter Weihnachtsmann,
schau mich nicht so böse an …
Wichtel und Weihnachtsmann merkten, dass das Mädchen die Verse besser konnte als sie selbst. Sirena sang mit schöner heller Mädche n stimme:
Leise rieselt der Schnee,
still und starr ruht der See …
Es war rührend, zu hören und zu sehen, wie ein dunkelhäutiges Mädchen mit krausem Haar mit heller Stimme von Eis und Schnee sang. Da wurden sogar dem Industrierat fast die Augen feucht.
Sirena zeigte ihrer Mutter die neuen seidenen Ballettschuhe, die an beiden Seiten bestickt waren. Dass der Weihnachtsmann tatsäc h lich die richtige Größe gewusst hatte!
Als sie gegessen und ein Glas Glögg getrunken hatten, erklärte Tarja, dass sie mit Rauno unter vier Augen sprechen wolle, über Angelegenheiten von Erwachsenen. Sorjonen meinte darauf, dass es schön wäre, wenn Sirena für eine Weile mit ins Auto käme, um ihm bei der Zubereitung der Salate zu helfen. Weihnachtsmann und Wichtel hatten noch eine weite Reise vor sich, es gab viel zu tun, er könnte ja mit Sirena auch ein bisschen Taxi fahren, falls sie Lust hätte.
Rauno und Tarja blieben allein in der Wohnung zurück. Jetzt ü bergab er ihr ein kleines Päckchen, aus dem eine Schmuckschachtel zum
Weitere Kostenlose Bücher