Zehn zärtliche Kratzbürsten
Er sei ein Mann mit gesundem Menschenverstand, er habe nicht den geringsten Hang zu religiösem Wahn und neige auch nicht, wie Rasputin, zu Exzessen oder gar zur Geisteskrankheit.
Irja: Du bist ein braver Kerl, und basta. Als Psychologin kann ich dir verraten, falls es dir in diesem Alter immer noch nicht klar geworden ist, dass nahezu jeder gesunde Mann den Traum hat, so viele Frauen zu befriedigen, wie er irgend kann, und du scheinst darin tatsächlich ganz besonders tüchtig zu sein.
Rauno begann über Rasputins weltgeschichtliche Bedeutung zu sinnieren. Was, wenn der russische Hof auf vernünftige Ärzte gehört und das große Reich väterlich regiert hätte? Es wäre keine Revolut i on entstanden, nicht Lenins und nicht Stalins Terror, und vielleicht hätten die sozialistischen Bewegungen in gemäßigter Form Fuß gefasst, sowohl in Russland als auch in Europa – das wiederum hätte garantiert, dass Hitler nicht in den 1930er Jahren in Deutschland an die Macht gekommen wäre, und das wiederum …
Sie gingen ins Haus. Irja fütterte ihren lebhaften Spitz, anschli e ßend machte sie für sich und Rauno ein wenig Glögg heiß, der an diesem Winterabend beiden gut schmeckte. Dann gingen sie noch einmal nach draußen, um den Spitz, Hupi, auszuführen. Er trug denselben Namen wie der Hund von Irjas Schwiegervater. Eigentlich war er dessen Nachkomme, hatte denselben vornehmen Stammbaum. Der Schwiegervater war bereits tot, ebenso natürlich sein geliebter Hupi, aber immerhin hatten die beiden Kameraden noch zu Lebze i ten eine fantastische Reise nach Rom gemacht.
Ja, warum eigentlich nicht anstelle von Jerusalem nach Rom re i sen, und warum nicht auch seinen Spitz mitnehmen? Heute, da Finnland Vollmitglied in der EU war, ließen sich auch Touristenre i sen von Hunden einfacher organisieren als früher.
Irja erzählte, dass ihr Schwiegervater Ende der 1970er Jahre bei einem Leserwettbewerb der Zeitung Anna eine Reise für zwei Pers o nen nach Rom gewonnen hatte. Er hatte den Teilnahmeschein aus Spaß ausgefüllt, hatte nicht die leiseste Absicht gehabt, auf seine alten Tage in jene lärmende Großstadt zu reisen, in der viele Gefa h ren lauerten, vor allem die, dass man betrogen oder gar ausgeraubt wurde. Aber als dann der Gewinn gekommen war, hatte Irjas Mutter beschlossen, dass der Traumurlaub tatsächlich angetreten würde. Sie hatte schon immer den Wunsch gehabt, die ewige Stadt zu besuchen, und da sich nun die Gelegenheit bot, hatte der eigensinnige alte Trottel gefälligst sein Ränzlein zu schnüren und mitzukommen. Der Schwiegervater hatte protestiert und sich darauf berufen, dass er Hupi für die ganze lange Zeit nicht allein und in der schlechten Obhut Fremder zurücklassen konnte. Es würde den guten Hühne r hund verderben, wenn ihm unverständige Leute schlechte Gewoh n heiten beibringen würden.
Irjas Mutter hatte nicht nachgegeben, sondern entschieden, dass sowohl Hund als auch Herrchen nach Rom reisten. Das Quarantän e problem war gelöst worden, und so hatten der Alte und Hupi eine ganze Woche in Rom verbracht.
Ganz wie Experten hatten Herrchen und Hund all die Museen und Kirchen besucht, hatten Bekanntschaft geschlossen mit den stolzen Monumenten der Antike und besonders mit den uralten steinbelegten Straßen der Via Appia und ihren vielen Laternenpfählen. In den Vatikan hatte man den Hund nicht eingelassen, aber auch den Schwiegervater hatte der päpstliche Kirchenstaat nicht sonderlich interessiert. Während Irjas Mutter mit Vergnügen shoppte oder Kunstausstellungen besuchte, hatten Hund und Herrchen sogar einen Busaus flug nach Pompeji gemacht, der beide stark beeindruckt hatte. Sie waren dort herumgewandert und hatten dies und das getan.
Der Spitz hatte Roms streunende Hunde und Katzen zur Räson gebracht, und auch die halb zahmen Tauben der Millionenstadt hatten es nicht leicht gehabt. Hupi hatte die großartige italienische Gastfreundschaft dermaßen genossen, dass er mehrere Kilo zug e nommen hatte, und nach der Heimkehr hatte sein Herrchen ihm Pizza backen und Spaghetti Bolognese kochen müssen.
Rauno Rämekorpi streichelte den munteren Spitz und sagte, dass er womöglich Lust hätte, Irja und ihren Hund nach Rom zu begleiten, sofern seine Arbeit es erlaubte. Er stellte es sich schön vor, den Spitz an der Leine durch den Park der Villa Borghese zu führen, ihn aus der Fontana di Trevi Wasser schlecken zu lassen, während Irja sich in den Boutiquen auf dem Korso mit der neuesten
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