Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
des K 1 die Hand entgegen. »Freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Ihnen eilt ja wirklich ein legendärer Ruf voraus.«
Tannenberg hielt dem schraubstockartigen Griff tapfer stand. »So, das wusste ich gar nicht«, gab er schmunzelnd zurück. »Bislang dachte ich, dass meine Fans vor allem innerhalb der hiesigen Staatsanwaltschaft zu finden sind.«
»Nun aber genug der Albernheiten«, mischte sich Dr. Hollerbach ein, »wir haben uns schließlich mit ernsteren Dingen zu beschäftigen. Vielleicht stellt Herr Zörntlein sich und seinen bisherigen Arbeitsbereich am besten selbst in ein paar Sätzen vor.«
»Das tue ich gerne, Herr Oberstaatsanwalt«, flötete der BKA-Beamte. Er trat einen kleinen Schritt vor und faltete wie betend die Hände vor seinem Bauch. »Liebe Kollegen, ich weiß, dass Sie bestimmt nicht gerade begeistert davon sind, einen Externen als sogenannte Verstärkung Ihres Teams akzeptieren zu müssen. Aber ich versichere Ihnen, dass ich mich sehr um eine konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen bemühen werde. Mehr Worte möchte ich darüber nun nicht verlieren, schließlich sind wir alle Profis und wissen, dass die schnellstmögliche Ergreifung des Täters absolute Priorität besitzt.« Zörntlein schaute freundlich in die Runde.
»Nur noch kurz zu meinem beruflichen Hintergrund: Ich arbeite seit fast zehn Jahren in der Interpol-Zentrale in Lyon und beschäftige mich dort sowohl mit dem internationalen Terrorismus als auch mit der organisierten Kriminalität. Zwei Bereiche, die sich übrigens immer stärker überschneiden und miteinander verzahnen. Am Wochenende habe ich in Köln an einem Interpol-Kongress teilgenommen – und dort hat mich der Anruf meines Vorgesetzten erreicht.«
»Glauben Sie wirklich, dass hinter diesen Anschlägen ein Terrorist steckt?«, fragte Geiger. »Ich bin ja eher der Meinung, dass es sich um Auftragsmorde im Drogenmilieu handelt.« Nach einem giftigen Seitenblick auf Tannenberg, der mit gequälter Miene die Augen rollte, ergänzte er: »Aber mein Chef hält nichts von diesem Ermittlungsansatz.«
»Wahrscheinlich liegt er damit sogar richtig, lieber Herr Kollege«, erwiderte Zörntlein. »Intuitiv erscheint mir diese Ermittlungsrichtung ebenfalls als wenig ergiebig.« Er räusperte sich dezent hinter vorgehaltener Hand. »Aufgrund meines derzeitigen Kenntnisstandes ist ein terroristischer Hintergrund nicht auszuschließen. Besonders die Tatsache, dass der erste Anschlag ausgerechnet am 11. September erfolgte, sollte uns in diese Richtung hellhörig werden lassen. Auch die professionellen Tatausführungen nähren meines Erachtens den Verdacht, dass ein terroristischer Hintergrund vorliegen könnte«, erklärte der BKA-Experte. Anschließend wandte er sich an dessen unmittelbaren Vorgesetzten: »Ist inzwischen ein Bekennerschreiben oder ähnliches bei Ihnen eingegangen?«
»Nein«, erwiderte Tannenberg.
»Der Täter hat sich also noch immer nicht gemeldet?«
Diesmal verneinte der Leiter des K 1 mit einer stummen Kopfbewegung.
»Liegt schon das Ergebnis des Projektilvergleichs vor?«
»Ja. Beide Kugeln stammen definitiv aus derselben Waffe.«
»Einem Präzisionsgewehr.«
»Exakt«, bestätigte Tannenberg und richtete seine nächste Frage an Geiger: »Hast du inzwischen eine Rückmeldung erhalten, ob irgendwo eine solche Waffe als vermisst gemeldet wurde?«
»Nein, Chef. Das hätte ich Ihnen doch schon längst mitgeteilt«, bemerkte der Kriminalhauptmeister.
»Sie haben diesbezüglich bei allen zuständigen Behörden nachgefragt, auch bei BND, GSG9, MAD …«
»Selbstverständlich«, entgegnete Geiger, unter Betonung der letzten beiden Silben.
»Wie ich sehe, stürzt sich unser Terrorismus-Experte förmlich in die Arbeit. Da möchte ich nicht weiter stören«, sagte Dr. Hollerbach und schickte sich an, das K 1 zu verlassen.
Vor der Flurtür drehte er sich jedoch noch einmal um. »Ach, fast hätte ich es ja vergessen, mein lieber Herr Hauptkommissar: Ich habe bereits den Hausmeister beauftragt, einen Schreibtisch für Herrn Zörntlein zu besorgen und ihn in Ihr Büro zu stellen.«
Während Tannenberg die Kinnlade herunterfiel, schob sein Erzfeind mit einem hämischen Grinsen nach: »Betrachten Sie diese Anordnung quasi als Crashkurs mit dem Ziel der Steigerung Ihrer sozialen und kommunikativen Kompetenzen. Diese beiden modernen Schlüsselqualifikationen bewegen sich nämlich meines Wissens bei Ihnen nur knapp über der Nulllinie.«
Am frühen Abend dieses
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