Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
stöberte in den Ermittlungsakten und Obduktionsergebnissen herum.
»Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass ich in dein Refugium eingedrungen bin«, empfing sie ihn mit einem schalkhaften Lächeln. Gleich darauf taxierte sie Zörntlein mit dem geübten Blick einer Jägerin.
»Wer, wer hat dir denn mein Zimmer aufgeschlossen?«, stammelte der Kommissariatsleiter, noch immer sichtlich verdattert. »Wieso bist du überhaupt hier? Ich dachte, du wolltest gleich in dein Hotel.«
»Hab mir’s eben anders überlegt.«
Tannenberg wandte sich der jungen Beamtin an seiner Seite zu. »Hast du Eva in mein Büro gelassen?«
»Nein, Wolf, so etwas würde ich mir doch nie erlauben. Als ich vorhin weg ging, war Eva jedenfalls noch nicht hier.«
»Das war euer netter Kollege unten in der Eingangsloge«, sagte die Kriminalpsychologin, ohne ihre Augen von der beeindruckenden männlichen Erscheinung zu entfernen. »Sie sehen aus wie George Clooney.«
»Er ist es aber nicht«, blaffte Tannenberg, dem diese Ähnlichkeit allmählich auf den Geist zu gehen schien. Zum wiederholten Mal stellte er den Clooney-Verschnitt als den zu Interpol abgeordneten Ermittler des Bundeskriminalamtes vor. Er konnte seine eigenen Worte schon nicht mehr hören. »Sag mal, Johannes, nervt dich das eigentlich nicht?«
»Manchmal schon, aber meistens ist es eher lustig.«
Eva erhob sich und reichte Zörntlein die Hand. Was für ein Mann, was für ein fester Händedruck. Und wie der duftet, schwärmte sie in Gedanken. Anschließend begrüßte sie Sabrina mit Wangenküsschen. »Schätzchen, du siehst ja noch besser aus als früher. Whow!«
»Könnten wir uns jetzt bitte wieder den dienstlichen Angelegenheiten zuwenden, liebe Frau Kriminalpsychologin?«
»Klar doch, Wolf.« Ihr Gesicht nahm bedeutend ernstere Züge an. »Dein Kollege in der Loge hat mir vorhin erzählt, dass dieser Heckenschütze schon wieder zugeschlagen hat.«
Tannenberg nickte und berichtete ausführlich über den neuen Mordanschlag. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass er die Ergebnisse deshalb so detailliert vortrug, um sich selbst noch einmal alle Einzelheiten ins Gedächtnis zu rufen.
»Auch noch ein Kollege«, seufzte Eva betroffen. Sie schluckte trocken. »Wir müssen so schnell wie möglich ein konkretes Täterprofil erstellen. Über die ersten beiden Attentate habe ich mir bereits einen Überblick verschafft.«
»Dann setzt euch am besten mal alle hin«, forderte Tannenberg, ging zur Tafel und schrieb den Namen des neuen Opfers unter den der anderen. Er legte den Kopf in den Nacken und stemmte die Arme auf die Hüftknochen. »Mir geht dieser Spruch einfach nicht mehr aus dem Kopf.«
»Welcher Spruch?«, wollte Zörntlein wissen.
»Perfekter Mord ist Leistungssport«, antwortete der Kommissariatsleiter. Er schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf. »Verdammt, verdammt, irgendetwas spukt da in meinem Hirn herum, irgendeine Querverbindung.«
Dr. Eva Glück-Mankowski schnippte mit den Fingern. »Ich glaube, ich weiß, was du meinst. In einem eurer Berichte meine ich vorhin gelesen zu haben, dass das erste Mordopfer in seinem Internet-Browser einen Favoriten gespeichert hat, bei dem es um perfekte Morde ging.«
»Ja, richtig, Eva. Das ist es«, rief Tannenberg freudig aus. »Wir müssen uns unbedingt diese Internetseite genauer anschauen. Vielleicht liegt dort in einem Chatroom, einem Forumsbeitrag oder in einem Link der Schlüssel zur Identifikation des Täters verborgen.«
»Steht in dem Bericht nicht auch drin, dass dein Kollege von der Spurensicherung das bereits getan hat?«, gab die Kriminalpsychologin zu bedenken.
»Das kann schon sein. Aber er hat bestimmt nicht so intensiv recherchiert, wie es erforderlich wäre.«
»Deine Euphorie in allen Ehren, mein lieber Wolf«, mischte sich Zörntlein ein. »Aber meinst du nicht, deine Hoffnungen sind ein wenig übertrieben? Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass sich unser mysteriöser Heckenschütze im Internet seiner Taten brüstet. Das ist ein Perfektionist, der garantiert nicht solche primitiven Spuren legt. Wenn er ein Katz-und-Maus-Spielchen mit uns vorhat, wird er sich sicherlich etwas Perfideres für uns einfallen lassen.«
»Kann sein, kann aber auch nicht sein«, bemerkte Eva nebulös. »Die meisten Serienmörder suchen früher oder später die Öffentlichkeit. Weil sie mit ihren Verbrechen Aufsehen erregen und Angst verbreiten wollen. Oft legen sie Spuren aus, die immer konkreter werden und
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