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Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Titel: Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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auf seinen Nebenmann. »Und das wiederum hätte zur Folge, dass Sie schon bald den Tod von fünf weiteren Menschen auf dem Gewissen haben werden. Sie allein!«
    »Auf dem Gewissen …«, wisperte der angebliche Therapeut.
    »Also, reden Sie endlich!«
    Der beleibte Mann fixierte Tannenberg mit einem traurigen Blick, doch der ließ sich nicht beeindrucken. Er rammte der bärenhaften Gestalt die Schulter in die Seite und forderte in scharfem Ton: »Los, geben Sie sich einen Ruck und erzählen Sie mir, was Sie wissen.«
    Nach einem langen Stoßseufzer packte der Fahrer mit beiden Händen das Lenkrad und richtete seinen Oberkörper auf. Anschließend streckte er Tannenberg die rechte Hand hin. »Also gut: Mein Name ist Dr. Helmut Kronenberger. Ich bin Oberstabsarzt und Psychologe am Bundeswehr-Krankenhaus in Koblenz.«
    Tannenberg verspürte den spontanen Impuls, die Hacken zusammenzuschlagen und während eines militärischen Grußes den eigenen Rang und Namen hinauszuschreien, doch er ersparte sich und seinem Nebenmann diese Albernheit. Zumal der Herr auf dem Fahrersitz im Gegensatz zu ihm noch immer nicht zum Scherzen aufgelegt zu sein schien. Nervös knibbelte Kronenberger an seinen Fingern herum. Offenbar wusste er nicht so recht, womit er beginnen sollte.
    Der Leiter der SOKO ›Sniper‹ kannte diese Startschwierigkeiten aus vielen Verhörsituationen. »Nur Mut, Herr Oberstabsarzt. Fangen Sie einfach mal an zu erzählen. Ich frage nach, wenn ich etwas genauer wissen möchte«, erklärte er mit ruhiger, verständnisvoller Stimme.
    »Also gut.« Nach einem tiefen, leidgetränkten Atemzug gebar der Bundeswehr-Offizier nun endlich das, was ihn seit Tagen bedrückte: »Wie Sie sicherlich wissen, behandeln wir Soldaten, die bei den Auslandseinsätzen unserer Streitkräfte Verletzungen und Verwundungen erlitten haben. Darüber hinaus kümmern wir uns selbstverständlich auch um die psychischen Folgeschäden.«
    »Therapie von Kriegstraumata.«
    »Ja, unter anderem. Das ist mein Spezialgebiet.«
    »Und was hat das mit diesem ominösen John zu tun?«, fragte Tannenberg.
    »Wie ich schon am Telefon angedeutet habe, war John einer meiner Patienten.«
    »Was heißt ›war‹?«
    Kronenberger atmete schwer. Er faltete die Hände so, dass die Daumen ein Kreuz bildeten. »John hat vor etwa zwei Monaten die Therapie plötzlich eigenmächtig abgebrochen.«
    »Weshalb denn das?«
    »Er hat mich angerufen und mir lapidar mitgeteilt, dass ich ihm bei der Bewältigung seiner Probleme nicht mehr weiterhelfen könne und er sich nun selbst therapieren werde. Er habe dazu einen Plan entwickelt und werde von nun an den steinigen Weg alleine gehen. Übrigens hat er mich zwei Wochen später nochmals angerufen und behauptet, er werde observiert und bedroht. Deshalb versuche er sofort unterzutauchen.«
    Der Psychologe seufzte tief. »Diese Elitesoldaten verstehen nämlich keinen Spaß, müssen Sie wissen. Ihr Ehrenkodex lautet: ›Auf Verrat steht Tod‹. Für Alleingänge gibt es nicht das geringste Verständnis: ›Das Individuum stirbt, das Team überlebt‹, wird ihnen vom ersten Tag an eingetrichtert.«
    »Man meint ja gerade, Sie seien selbst dabei gewesen.«
    »War ich auch, zumindest habe ich die Spezialausbildung durchlaufen. Darum weiß ich nur zu gut, wovon ich rede. Aber ich war nicht hart genug.« Er stockte, suchte offenbar nach einem bestimmten Wort. »Besser gesagt, ich war nicht verrückt genug für diesen Job. Deshalb habe ich umgesattelt und kümmere mich seitdem als Therapeut um unsere armen Jungs. Viele von ihnen kehren irgendwann traumatisiert von ihren Einsätzen zurück. Einsätze, die unser aller Freiheit schützen und bewahren.«
    »Unsere Freiheit, die am Hindukusch verteidigt wird.«
    »Richtig. Das ist auch mehr als notwendig, denn heutzutage liegen die Orte der Verbrechensvorbereitung weit entfernt von den Orten der Attentate.«
    Tannenberg brummte.
    »Aber zurück zu meinem Arbeitsgebiet: Die schrecklichen Erlebnisse bei den Kampfeinsätzen haben aus unseren Soldaten häufig gebrochene Männer gemacht. Sie finden sich oftmals im normalen Leben nicht mehr zurecht.« Er rückte seine randlose Brille gerade. »Am allerschlimmsten ist für diese Elitesoldaten übrigens die Tatsache, dass sie ausgemustert wurden, weil sie nicht mehr belastbar sind und als nicht mehr einsatztauglich definiert werden.« Der Psychologe kam immer mehr in Fahrt.
    »Dieses persönlichkeitszerstörende Gefühl, nicht mehr dazuzugehören,

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