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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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erwartet, hatte sich sein ganzes Team gemeldet, ohne Ausnahme.
    Daudert fuhr so langsam wie möglich, ohne dass es auffiel. Mit äußerster Sorgfalt suchte er die Umgebung vor Ellens Haus ab. Sie durften keine Fehler machen.
    »Da, Rico, der Typ, der an der Bushaltestelle sitzt. Der gefällt mir nicht.«
    Der Mann schien nicht auf den Bus zu warten, denn der war gerade abgefahren. Rico schoss im Vorbeifahren einige Fotos und übermittelte sie an die Zentrale. Daudert informierte den zweiten Wagen, der mit geringem Abstand hinter ihnen folgte. In ihm saß das Team der Spurensicherung. Beide Wagen fuhren weiter. Während sie im Schneckentempo durch die Straßen krochen, rasten in der Zentrale Tausende Fotos durch die Arbeitsspeicher der Rechner. Eine Gesichtserkennungs-Software verglich Ricos Aufnahmen mit allen, die in den Polizeiarchiven gespeichert waren. Die Aufgabe, für die ein Mensch Monate benötigt hätte, wurde in weniger als zehn Minuten abgeschlossen. Ein Mitarbeiter gab die Information sofort an Rico weiter.
    »Der Typ an der Straße ist Karl Rübenfeld, ein Reporter beim Abendblatt. Ein kleines Licht. Hat noch nie etwas Größeres zustande gebracht. Vielleicht erhofft er sich hier einen Zufallstreffer«, sagte Rico.
    »Den hätte er fast gelandet. Von vorne können wir also nicht ins Haus herein. Zwei Autos mit je vier Männern plus Taschen mit Ausrüstung fallen auch ohne Uniform auf.« Daudert war nicht sonderlich überrascht. Es ging selten alles glatt. Er zog eine Luftaufnahme des Gebäudekomplexes hervor. Durch die Zeit, die er mit Ellen zusammen gewesen war, kannte er sich einigermaßen aus.
    »Dann gehen wir hierherum rein.« Er zeigte Rico den Weg über die Hinterhöfe.
    Die Aktion war nicht einfach. Ein Gebäude zu sichern, war Routine, aber es unauffällig zu tun, war eine echte Herausforderung. Daudert besaß die besten Ortskenntnisse und ging voran. Er hatte lässig eine Jacke über den Arm gehängt, mit der er seine Pistole verdeckte. Die hielt er schussbereit in der Hand. Peer Hillert und Oskar Ernst folgten mit Reisetaschen, in denen ihre weitere Ausrüstung steckte. Dann kamen die vier Kollegen von der Spurensicherung, ebenfalls mit Taschen. Den Abschluss machte Rico.
    Acht Männer. Unauffällig war anders, aber eine Alternative hatten sie nicht. Falls einer der Anwohner Verdacht schöpfte und die Polizei anrief, war das nicht weiter tragisch. Polizei waren sie schließlich selbst, und die Kollegen in der Telefonzentrale waren informiert. Nur die Presse durfte nicht ins Spiel kommen, und vor allem durfte der Erpresser nichts merken. Bei einem Testanruf war nur Nabils Anrufbeantworter angesprungen, aber das musste nicht notwendigerweise bedeuten, dass er nicht zu Hause war.
    Über den Hinterhof des Nachbarhauses erreichte die Gruppe den Hof von Ellens Haus. Bei den Mülltonnen blieb Daudert stehen, sicherte und winkte die anderen vorbei.
    »Scheiße«, fluchte Oskar mit gedämpfter Stimme.
    Schlagartig blieben die anderen stehen, als ob sie in ihrer Bewegung eingefroren wären. Jeder analysierte in Sekundenbruchteilen den Bereich, den er einsehen konnte, auf mögliches Bedrohungspotenzial.
    »Was ist?«, wollte Daudert wissen.
    »Ich bin in Hundescheiße getreten.«
    »Oh, Mann, was bist du für ein Idiot.«
    Oskar sah sich seine Sohle an. Überall in den groben Rillen steckte die unappetitliche Masse. Sie war nicht mehr ganz frisch, stank aber erbärmlich.
    »Damit hast du die Arschkarte gezogen«, stellte Daudert fest.
    »Das heißt?«
    »Dass du nicht mit in die Wohnung kommst. Wir können nicht warten, bis du den Schuh sauber hast, und Fußabdrücke und Hundescheiße können wir im Haus nicht gebrauchen. Du sicherst hier unten und gibst durch, wenn einer ins Haus geht.«
    »So ein Mist«, schimpfte Oskar. Einen dümmeren Job als unten Wachestehen gab es nicht.
    »Manchmal ist das Leben echt beschissen«, sagte Daudert. Er nahm die Reisetasche von Oskar, und die Gruppe ging weiter. Den Schlüssel zum Haus hatte Ellen ihnen zur Verfügung gestellt. So schnell wie möglich betrat die Gruppe das Haus. Die Holzstufen des Treppenhauses knarrten laut unter den Schritten der Männer, egal, wie vorsichtig sie auftraten.
    Ersetzt jede Alarmanlage, dachte Daudert. Doch trotz des Lärms beachtete sie niemand. Das letzte Stück zu Hassans Wohnung ging Daudert allein. Jetzt brauchte er Ruhe. Er drückte ein hochempfindliches Mikrofon an die Tür und lauschte in die Wohnung hinein. Der Verstärker

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