Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
Vom Netzwerk:
die Auswertung meiner Haaranalyse gelesen?«
    »Nein, dazu bin ich noch nicht gekommen«, sagte Ellen, jetzt wieder weniger schroff. »Was hast du gefunden?«
    »Schwarz, männlich, vermutlich arabischer Herkunft.«
    »Wie kommst du darauf?«
    Sina hob die Schultern und wiegte ihren Kopf hin und her. »Ich habe schon Hunderte von Haarproben untersucht. Das ist einfach so ein intensives Gefühl.«
    »Sonst noch was?«
    Sina verzog ihr Gesicht. »Du bist gut. Was willst du sonst noch bei so einem kleinen Stück. Ein Name stand nicht dran.«
    »Danke für den Hinweis.« Ellen seufzte. »Ich weiß, du tust, was du kannst.«
    Feuerwehrleute brachten einige hustende und blass aussehende Leute zu den Notarztwagen. Ellen erkannte den Mann wieder, dem sie die Kamera abgenommen hatte. Geschah ihm recht. Der Chef der Feuerwehr signalisierte Ellen, dass keine Toten zu beklagen waren. Das hätte eigentlich erleichtern sollen, tat es aber nicht. Dass ihr Versuch, die öffentlichen Internetübertragungen des Erpresser zu verhindern, gescheitert war und sie mit ihren Ermittlungen nicht vorankamen, lag wie eine schwere Last auf ihr.
    Nur Khalid und ein Kollege saßen in der Zentrale vor einem Monitor und diskutierten über Server- und Leitungskapazitäten. Der Techniker sah Ellen kurz aus dunkel umränderten Augen an und schüttelte den Kopf. Hier kamen sie auch nicht weiter.
    Ellen nahm sich einen dicken Filzschreiber und notierte auf dem Flipchart alle relevanten Erkenntnisse über den Erpresser, die sie bisher herausgefunden hatten.
    Programmierer/Hacker
    intelligent
    Spieler
    Server in Kairo
    dunkle Haare
    männlich
    arabische Herkunft?
    Manchmal half es, alle Punkte real vor Augen zu haben. Oft sortierten sie sich dadurch und weckten einen Gedanken oder ergaben zumindest einen Anhaltspunkt.
    Ellen trat in die Mitte des Raums und betrachtete die Stichworte aus der Entfernung. Sie spürte förmlich, wie ihr Unterbewusstsein Verknüpfungen schuf und versuchte, die Einzelteile zu einem Bild zusammenzufügen.
    »Khalid, kann ein Administrator eigentlich programmieren?«, fragte sie.
    »Gewöhnlich ja. Das ist zwar nicht der Schwerpunkt der Arbeit, aber ein Auswertungsprogramm oder so etwas Ähnliches ist immer mal nötig. Und die meisten Administratoren machen aus Hobby auch noch einiges mehr.«
    »Und ein Administrator kennt sich mit dem Internet aus?«
    »Auf jeden Fall. Damit haben wir immer zu tun. Wir sind schließlich für die Firewall verantwortlich, damit niemand von außen auf unsere Systeme zugreift.«
    »Und wer so eine Firewall einrichten kann, der weiß auch, wie man sie durchlöchert?«
    »Natürlich, sonst könnten wir sie nicht dicht halten.«
    Vor Ellens innerem Auge erschien ein Name auf einem der zerbeulten Briefkästen in ihrem Hauseingang: Hassan Nabil . Hassan war Administrator. Das hatte er ihr vor Monaten erzählt. Verblüffend viele Stichworte trafen auf ihn zu, von »intelligent« einmal abgesehen. Aber Ellens Eindruck von ihm bezog sich hauptsächlich auf seine tölpelhaften Gesprächsversuche. Er hatte Informatik studiert, war also nicht so dumm, wie es schien. Und irgendwie abgedreht war er auch. Hassan liebte es, wenn es ordentlich krachte. Und wenn er es nun einmal hatte live krachen lassen wollen? Ellen traute dem Kerl alles zu. Vor allem war da noch etwas, was nicht auf der Liste stand: Er kannte Ellen und würde eine Menge dafür geben, sie ins Bett zu kriegen. Hatte Brahe nicht davon gesprochen, dass etwas Persönliches im Spiel sein könnte? Ellen ging in Gedanken ihren Bekanntenkreis durch. Er war sehr überschaubar, und auf niemand anderen trafen alle Stichworte auf dem Flipchart gleichzeitig zu. Hassan Nabil. War er der, den sie suchten? Sie zückte ihr Handy. Ein kurzer Anruf und Ellen wusste, dass er aus Ägypten stammte.
    »Sie sollten sich die Nachrichten ansehen«, sagte Khalid.
    An der Seitenwand der Zentrale hing ein großer Flachbildschirm, um bei Bedarf verfolgen zu können, was über die Medien ging. Er lief fast immer, aber ohne Ton, um nicht zu stören. Ellen schaltete den Ton an.
    Die ARD hatte dem Bombenanschlag im Parkhaus einen eigenen Brennpunkt gewidmet. Am Bildschirm konnte Ellen die Ereignisse aus dem Blickwinkel eines Reporters verfolgen: die Jagd zur Explosionsstelle, das Vorkämpfen in der Staubwolke und im anschwellenden Rauch. Die Bilder waren im Laufen aufgenommen worden und wackelten. Gerade schwenkte die Kamera hektisch um hundertachtzig Grad. Jetzt kam Ellen selbst

Weitere Kostenlose Bücher