Zehntausend Augen
gewesen. Entweder hatte man sie über den Tisch gezogen, oder das Teil war schon wieder kaputt. Sie holte den Ersatzakku aus dem Ladegerät und tauschte ihn mit dem leeren. Sie konnte es sich nicht erlauben, nicht erreichbar zu sein.
»Kann denn gar nichts mehr funktionieren?«, grummelte sie.
Doch das Handy funktionierte sehr wohl, allerdings nicht so, wie Ellen es gewollt hätte. In einem unscheinbaren Haus am Stadtrand lehnte sich jemand zurück und war sehr zufrieden mit Ellens neuem Handy.
14
Einer der Techniker, die sich fast schon verzweifelt um die Internetverbindung bemühten, steckte den Kopf in Ellens Büro. »Wir können in einer Viertelstunde einen neuen Versuch starten, online zu gehen«, meldete er. »Wie lange es funktioniert, können wir nicht sagen.«
Ellen machte sich auf den Weg in die Zentrale. Was Hassan der Presse erzählt hatte, darüber konnte sie nur spekulieren, und was davon abgedruckt wurde, war noch mal etwas ganz anderes. Eins war leider so gut wie sicher: Es konnte nur unerquicklich sein. Wie unerquicklich musste sie abwarten. Unangenehm war auch das, was in einer Viertelstunde auf sie wartete, aber sie sah keine Möglichkeit, dem auszuweichen. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen beobachtete sie, wie die Techniker ihre Arbeit abschlossen.
»Wir können jetzt. Sollen wir?«, fragte Khalid.
Sollen wir? Wir müssen wohl. Ich muss wohl!
»Ja«, sagte sie und zog widerstrebend ihre Bluse aus. Sie vermied jeden Blickkontakt zu ihren Kollegen.
»Wir sind online«, meldete Khalid.
Nichts geschah. Ellen fixierte mit ihrem Blick den Monitor mit dem eingehenden Signal.
»Die Zugriffe steigen rapide an. Die Leute scheinen nur vor ihren Rechnern zu sitzen und darauf zu warten, dass wir übertragen. Lange geht das nicht gut.« Khalid klang nervös.
Ellen stand mit verschränkten Armen da und rührte sich nicht. Auch von Skype kam kein Signal.
»Die Verbindung wird schon wieder instabil.«
Der Monitor wechselte die Farbe und wurde grün. Das war der Erpresser. Ellen hielt den Atem an.
SCHWACHE LEISTUNG erschien als Schriftzug. ZU SCHWACH!
MORGEN NACHMITTAG IST ES BESSER – SONST …
Die Farbe wechselte zu einem drohenden Rot. Kein Wort mehr. Nichts.
»Das Internet ist zusammengebrochen. Wir können nichts dagegen tun.«
Ellen biss die Zähne zusammen und zog ihre Bluse über. »Scheiße!«
Khalid zuckte hilflos mit den Schultern.
»Wir müssen es hinkriegen. Irgendwie.« Was geschehen würde, wenn sie es nicht schafften, wagte Ellen sich nicht auszumalen. Auf keinen Fall würde der Erpresser mit ihnen reden, wenn das Internet nicht ging.
»Versuchen Sie es, Khalid. Sie bekommen jede Unterstützung, die Sie brauchen. Stellen Sie eine Liste zusammen.«
Den anwesenden Kollegen befahl Ellen, endlich die Nebenzentrale einzurichten. Das war bisher noch nicht geschehen. Für den Fall, dass die KTU auf Hassans Computer nichts fand, würden sie die Nebenzentrale brauchen. Irgendwo mussten sie schließlich ihre Arbeit koordinieren, und zwar unbeobachtet. Wenn Ellen ehrlich war, rechnete sie eher mit einem negativen Ergebnis bei Hassan.
Ellens Handy meldete sich schon wieder. Direktor Brahe war dran. »Bitte kommen Sie kurzfristig zu einer Besprechung in mein Büro. Ich weiß, dass Sie viel zu tun haben, aber es muss sein.« Brahes Stimme klang belegt. Er schien Ellen nicht ganz freiwillig zu drängen. Das roch nach Schwierigkeiten.
15
Ellens Befürchtungen wurden wahr. Tatsächlich nahm Polizeipräsident Kronen wieder an dem Treffen teil. Wahrscheinlich hatte er Brahe sogar dazu gedrängt, denn der sah gar nicht glücklich aus. Der gutmütige Ausdruck, der sonst sein Gesicht prägte, war verschwunden. Sein kurz geschorenes Haar sah noch grauer aus als sonst.
Kronen strahlte kaum unterdrückten Ärger aus. Stefan stand scheinbar unbeteiligt neben den beiden, aber Ellen kannte ihn gut genug, um in seinen Augen zu lesen, dass er die angespannte Situation genoss.
»Kommen wir sofort zur Sache.« Kronen verzichtete auf jegliche Begrüßung. »Wie ist der Stand Ihrer Ermittlungen?«
Ellen war klar, dass diese Frage gestellt werden würde. Sie hatte nicht vor, sich mit Ausflüchten wegzuducken, und sah Kronen direkt in die Augen. »Wir sind leider nicht so weit, wie wir uns wünschen.«
Kronen sah aggressiv zurück. »Das heißt konkret?«
»Dass wir noch keine handfeste Spur haben.«
»Der Täter hat bereits zwei Bomben gezündet, Ihnen ein Paket zukommen lassen, und
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