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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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ins Bild. Man sah, wie sie einen Kameramann grob zur Seite stieß, und hörte, dass sie etwas brüllte. Was, konnte in dem allgemeinen Lärm niemand verstehen. Der Kommentator erläuterte dazu, dies hier sei die Frau, die die Verantwortung für die gesamten Ermittlungen trage.
    Was denken die Leute bloß von mir?
    Es folgten Aufnahmen von den Löscharbeiten, dann von draußen. Am Ende wurde wieder Ellen gezeigt, wie sie mit Sina zusammenstand. Das Bild zoomte so nah heran, dass Ellens Gesicht den gesamten Bildschirm ausfüllte.
    Nirgends bin ich mehr sicher. Ellen biss die Zähne zusammen.
    Jetzt wurde ein Mann interviewt, ein Professor mit einem komplizierten Doppelnamen, den Ellen sich auf die Schnelle nicht merken konnte. Er kritisierte Ellens rüdes Vorgehen. Als verantwortliche Person sollte sie mehr Ruhe und Überblick ausstrahlen. Sie sollte ihre Leute dirigieren, was viel effektiver wäre, als überall selbst herumzulaufen.
    Klugscheißer! In einem friedlichen Fernsehstudio hatte man gut reden, aber neben einem brennenden Auto, dessen Tank jeden Moment hochgehen konnte, sah die Welt anders aus. Ellen wollte sich angewidert abwenden, als ein weiterer Höhepunkt angekündigt wurde: eine neue Nachricht des Erpressers.
    Mit einem Mal war sie voll da.
    Ein Sprecher las den Text vor, während gleichzeitig die E-Mail auf dem Bildschirm gezeigt wurde.
    Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,
    Ihre Polizei hat gegen die festgelegten Regeln des Spiels verstoßen. Sehen Sie dieses Ereignis als Verwarnung an. Es darf als unbedeutend betrachtet werden gegenüber den Folgen eines erneuten Regelverstoßes. Es gibt belebtere Plätze als ein Parkhaus.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihr/Ihre
    (Ihre Polizei weiß immer noch viel zu wenig über mich.)
 
    Ellen überlegte noch, welche Konsequenzen diese E-Mail nach sich zog, da kam Direktor Brahe hereingestürzt.
    »Frau Faber, haben Sie den Brennpunkt gesehen?«
    Ellen deutete auf den Fernseher. »Ja, habe ich.«
    »Was denken Sie darüber?«
    »Schlimm«, antwortete Ellen, »wirklich schlimm. Das erhöht den Druck auf uns enorm. Und er hat auch noch die Frechheit, uns die Schuld in die Schuhe zu schieben.«
    Brahe nickte. »Wissen Sie, warum ich hauptsächlich hergekommen bin?«, fragte er.
    »Warum?«
    »Weil ich nicht erreichbar sein will, wenn der Polizeipräsident anruft. Weil ich weiß, was er will, und ich nichts sagen kann. Oder haben wir etwas zu sagen, Frau Faber?«
    In dem Moment steckte der Kollege, den Ellen wegen der Kameraüberwachung im Parkhaus weggeschickt hatte, den Kopf in die Tür der Zentrale.
    »Sie stören nicht. Kommen Sie herein«, forderte Ellen ihn auf. »Direktor, jetzt bekommen Sie gleich live mit, ob wir etwas zu sagen haben.«
    »Wir haben die Aufnahmen schon ausgewertet. Nichts«, sagte der Polizeiobermeister.
    »Was heißt ›nichts‹? Kameras kaputt wie bei der ersten Bombe oder Aufnahmen gelöscht?«
    »Weder noch. Beides wäre in der Zentrale auch aufgefallen. Die Kameras zeigen ein Standbild.«
    »Was soll das heißen?« Brahe verstand nicht, aber Ellen ahnte die Antwort.
    »Der Erpresser hat eine Aufnahme aus einer Zeit gespeichert, in der im Parkhaus nichts los war. Diese Aufnahme hat er in die Kameras eingespielt, während er selbst mit einem Wagen in das Parkhaus hineingefahren ist. Das vermuten wir jedenfalls, denn auf einer späteren Aufnahme steht plötzlich ein Wagen da, wo vorher keiner stand. Es ist die Stelle, wo die Bombe hochgegangen ist. Der Wagen war ein Passat, ein ziemlich altes Modell. Die ganze Manipulation ist niemandem aufgefallen.«
    Brahe schwieg.
    »Also das Übliche«, sagte Ellen. »Wir haben wieder nichts.«
    »Aber irgendetwas muss es doch geben.« Brahe sah Ellen an, wie sie es noch nie bei ihm erlebt hatte, hilflos.
    »Sie haben gerade zum ersten Mal live mitbekommen, was ich mir dauernd anhören muss. Spuren am Tatort gibt es keine, alles andere spielt sich im Internet ab. Und dort versanden alle Nachforschungen im Nirwana.«
    »Das können wir unmöglich der Presse erzählen. Haben Sie denn keinen Verdacht? Nicht irgendeinen Hinweis?«
    »Etwas ziemlich Vages habe ich. Aber das sind nur Indizien, ich habe keinerlei Beweis.« Ellen erzählte Brahe von Hassan Nabil.
    »Das ist doch schon etwas.« Brahes Gesichtszüge strafften sich wieder. »Da kann ich dem Polizeipräsidenten erzählen, dass wir eine konkrete Spur verfolgen.«
    »Aber wir haben noch keine Beweise. Wir müssen vorsichtig

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