Zehntausend Augen
dafür verantwortlich, dass wir ungestört arbeiten können. Ich bin nicht zur Abwehr von Terroristen ausgebildet.«
Daudert grunzte unwillig. Missmutig griff er einige Milchtüten und versuchte sie so aufzubauen, dass es dem ursprünglichen Müllberg möglichst ähnlich sah.
13
Stefan meldete die Rückkehr der Spurensicherung im LKA. Ellen wollte so schnell wie möglich Informationen von der Wohnungsdurchsuchung erhalten und ging den Teams entgegen.
»Habt ihr etwas gefunden?«, fragte sie, kaum hatten Stefan und sein Team das Parkdeck verlassen.
Brüggemann, der Leiter des KTU-Teams, grinste. »Jede Menge Chemiewaffen.«
»Chemiewaffen?«
»Milchtüten«, klärte Stefan sie auf, »mit vergorenen Resten. Es war abscheulich.«
»Sehr witzig. Ihr wisst, was ich meine.«
»Hinweise auf Sprengstoff oder Ähnliches gab es keine, aber das Wichtigste liegt noch vor uns. Wir haben die Festplatte kopiert, damit das Labor sie gründlich untersuchen kann. Das wird etwas dauern. Ansonsten haben wir diverse Proben gesammelt. Die Haarbürste war so voll, da hätte man eine ganze Perücke draus machen können.«
»Dann seht zu, dass ihr ins Labor kommt. Die Zeit drängt.«
Das KTU-Team zog mit seinen Taschen ab. Das SEK-Team blieb noch.
»Im Ernst. Ein Chemieunfall in einer Giftgasfabrik ist ein Kindergeburtstag gegen diese Wohnung«, sagte Stefan und verzog das Gesicht, als würde er den Gestank immer noch riechen. »Hättest du uns nicht vorwarnen können? Das musst du doch gewusst haben.«
»Dass Hassan nicht gerne lüftet, weiß ich. Er hat mal gesagt, wenn er nicht lüftet, hat er doppelt so viel vom Rauch für das gleiche Geld. Dass es so schlimm ist, wusste ich nicht. Ich war noch nie in seiner Wohnung.«
»Das hättest du nicht überlebt.«
»Aber du ganz offensichtlich. Du bist wahrscheinlich in dieser Beziehung abgehärteter als ich.«
»Wir haben als Erstes alle Fenster aufgerissen und gelüftet.«
»Das war nachher ein echtes Problem«, platzte Hillert heraus.
»Wieso das?«, fragte Ellen.
»Na, wir sollten unauffällig sein. Eine frisch gelüftete Wohnung wäre bestimmt aufgefallen.«
»Und was habt ihr gemacht?«
»Stefan hat gesagt, wir sollten alle mal furzen – aber es hat nicht gereicht.«
Gelächter drang aus den Kehlen der Männer. Nur Stefan lachte nicht. Er bedachte Hillert mit einem bösen Blick. Trotz der Anspannung musste auch Ellen schmunzeln.
»Was war eigentlich mit Hassan? War der Vogel die ganze Zeit ausgeflogen?«
Stefan wirkte erleichtert, das Thema zu wechseln.
»Der hätte uns fast überrascht, aber wir haben das gut hingekriegt.«
»Ich habe ihn rechtzeitig abgefangen«, meldete sich Oskar zu Wort, »und dann habe ich ihn unter einem Vorwand zu einem Reporter gelotst.«
»Reporter? Welcher Reporter?« Bei diesem Reizwort sträubten sich Ellens Nackenhaare.
»Vor Ihrem Haus stand doch dieser Kerl, dieser Karl Rübenfeld vom Abendblatt. Er hat es die ganze Zeit beobachtet. Ich habe Hassan erzählt, dass da ein Kollege von mir ganz scharf ist auf ein Interview mit ihm, und dann habe ich ihn zu dem Reporter gebracht. Der hat zuerst dumm gekuckt, aber als ich erklärt habe, dass Nabil jede Menge über Sie weiß, war er ganz begeistert. Ich habe mich dann unauffällig verdrückt. Als wir abgezogen sind, waren die beiden immer noch im Gespräch. Scheint ihnen gefallen zu haben.«
»Sie haben Hassan zur Presse gebracht, damit er denen etwas über mich erzählt? Sagen Sie, dass das nicht wahr ist.«
»Was hätte ich denn sonst tun sollen? Ich musste auf die Schnelle irgendwas finden, was ihn ablenkt. Und da ist mir das eingefallen.«
Ellen schüttelte den Kopf. »Ich fasse es nicht.«
Jetzt machte Oskar einen betretenen Eindruck. Er schien langsam zu verstehen, was er angerichtet hatte. Aber ungeschehen machen konnte er es nicht.
Stefan verzog keine Miene. Er sah ausdruckslos aus dem Fenster, als ginge ihn das nichts an.
Ellen drehte sich um und ging. Hassan war nicht in der Lage, auch nur eine einzige sinnvolle Aussage über sie zu machen. Das Einzige, was er über sie konnte, war phantasieren, und das wahrscheinlich auch nur schmutzig – aber wenn es einmal in der Zeitung stand, würde es jeder glauben.
Als Ellen in ihr Büro kam, piepste zu allem Überfluss auch noch ihr Handy. »Akku leer!«, zeigte das Display.
Das Handy war erst einige Wochen alt, und sie hatte den Akku gestern noch aufgeladen. Dabei war ihr beim Kauf eine lange Stand-by-Zeit wichtig
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