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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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durchhalten – und wenn Sie gewinnen. Aber so weit sind wir noch lange nicht.« Wieder lachte es wie von einem Kobold.
    Mühsam kämpfte Ellen aufsteigende Magensäure nieder. Sie sehnte sich nach einem Schluck kaltem Wasser.
    Khalid hielt ein Blatt hoch, auf dem stand:
    HANDYORTUNG!!!
    Sektor IV
    Ellen hätte sich vor Erleichterung am liebsten hingesetzt. Endlich. Sie waren endlich einen Schritt weiter. Jetzt brauchten sie vor allem Zeit. Die Maschinerie lief erst an. Khalid hatte bereits eine vorbereitete SMS an Stefan abgesetzt, der sofort mit seinem Motorrad starten würde. So war es besprochen. Die genauen Koordinaten folgten per Funk parallel zur Information des SEK-Teams in Sektor IV.
    »Sie haben uns im ersten Level dreihundert Sekunden gegeben. Wie lange wollen Sie heute spielen? Und wo wollen Sie spielen?«, fragte sie.
    »So viele Fragen auf einmal. Nicht so hektisch. Genießen Sie das Spiel.«
    Ellen lief der Schweiß aus allen Poren herunter. Die Zahl Hundert stand bedrohlich vor ihren Augen und erinnerte erbarmungslos an die Zahl der möglichen Opfer. Der Erpresser schien keine Eile zu haben. Er fühlte sich offensichtlich sicher. Bisher war er immer sehr clever gewesen. Sollte er jetzt so einfach einen so schweren und banalen Fehler machen? Ellen schob den Gedanken energisch beiseite. Für Zweifel war keine Zeit. Jeder machte irgendwann Fehler. Außerdem gab es kein Zurück. Jetzt musste jeder seine Rolle in dem Plan ausfüllen. Ihre Aufgabe war, hier mit dem Erpresser zu reden und so viel Zeit wie möglich herauszuholen.
    »Also gut. Dann nur eine Frage: Wo haben Sie heute einen Anschlag geplant?«
    »So direkt? Wissen Sie, das gefällt mir an Ihnen. Sie wissen, was Sie wollen. Aber ich will lieber zuerst über die Zeit reden. Dann wird das Herausfinden des Ortes umso spannender.«
    »Also gut, wie viel Zeit haben wir heute?«
    »Sagen wir dreihundert Sekunden.«
    Fünf Minuten. Da kann man so gut wie nichts ausrichten. »Das ist zu wenig. Geben Sie uns mehr.«
    »Oh, die Frau Kriminalhauptkommissarin geht unter die Händler. Wie amüsant. Aber warum nicht? Nennen Sie mir einen guten Grund, warum ich Ihnen mehr Zeit geben sollte.«
    Ellen überlegte hektisch. »Die Zeit ist zu knapp. In dieser Zeit können wir nichts tun.«
    »Ich liebe es, wenn die Zeit zu knapp ist«, sagte die weibliche Stimme freundlich. »Vor allem mag ich es, wenn Sie Zeit kaufen.« Wieder wurde das Lachen eines amüsierten Publikums eingespielt. Es schien in Ellens Ohren jedes Mal hässlicher zu klingen.
    So ein Arschloch. So ein verdammtes Arschloch! Die Wut kochte in ihr. Mit aller Macht riss Ellen sich zusammen. Streng deinen Verstand an. »Wenn wir keine echte Chance haben«, sagte sie, »dann macht das Spiel keinen Spaß.«
    »Hm. Das ist ein ernst zu nehmendes Argument.«
    »Und außerdem müssen wir den Ort erst raten.«
    »Sie sind sehr überzeugend. Selbstbewusst, überzeugend und vor allem schön«, sinnierte die Stimme. »Wer könnte solch einer Frau nicht entgegenkommen? Also verdoppeln wir die Zeit – Ihnen zuliebe.«
    Auf dem Monitor erschien eine Sechshundert. Immerhin. Sie hatte weitere fünf Minuten herausgeschlagen.
    599. Die Zeit lief.
    598.
    Sie hatten noch lange nicht gewonnen.
    597.
    »Der Ort? An welchem Ort haben Sie die Bombe platziert?«
    596.
    »Natürlich«, kam da die weiche Frauenstimme aus dem Lautsprecher des Telefons. »Der Ort. Wie nachlässig von mir. Der fehlt uns ja noch.«
    590.
    Wenn Ellen die Stimme greifen könnte, sie würde den Erpresser auf der Stelle erwürgen.
    589.
    »Wie wäre es mit hier?« Hinter den Zahlen mit dem Countdown wurde das Bild eines voll besetzten Saals eingeblendet. Die Sitzreihen waren steil aufsteigend hintereinander angeordnet. Selbst aus der Entfernung erkannte Ellen, dass die Leute gut gekleidet waren. Eine Tonübertragung gab es nicht.
    Hinter Ellen stöhnte jemand. Brahe. »Nein. Das darf nicht sein.«
    Ellen fuhr herum. »Was darf nicht sein? Wo ist das?«
    »Die Deutsche Oper. Das ist der Saal der Deutschen Oper.«
    »Scheiße!«
    Sekunden später blendete Khalid die Position der Deutschen Oper auf dem Stadtplan ein. »Charlottenburg, Bismarckstraße«, sagte er. Die Straße lag genau auf der Grenze zwischen Sektor III und IV.
    572.
    »Das Team von Sektor III soll hin.«
    Ein Beamter gab den Befehl sofort weiter.
    »Khalid, die Telefonnummer der Oper!«
    Ellen hechtete zum nächsten Apparat. Hastig wählte sie die Nummer, die Khalid ihr zurief. Wertvolle

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