Zehntausend Augen
konnte sich nicht vorstellen, dass Kronen bluffte. Trotz aller Abneigung war das zu abwegig.
»Die Handys sind sehr gut gereinigt worden. Das haben wir festgestellt. Aber nicht gut genug. Jeder macht mal einen Fehler.« Kronen lehnte sich wieder zurück, ohne Ellen auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
Ellen sagte nichts.
»Ersparen Sie uns dieses Hin und Her«, sagte Kronen. »Geben Sie es einfach zu.«
»Es gibt nichts zuzugeben.«
Kronen bedachte Ellen mit einem Blick, der wohl mitleidig wirken sollte. »Die Auswertung von Fingerabdrücken ist kriminaltechnisch ausgereift. Da gibt es keine Fehler.« Kronen öffnete die Mappe und zog ein Blatt hervor.
»Sina Ahuus persönlich hat die Übereinstimmung der Fingerabdrücke bestätigt.« Mit einem triumphalen Ausdruck im Gesicht schob Kronen das Blatt vor Ellen.
Ellen hatte das Gefühl, als wäre gerade ein Blitz in ihr Gehirn eingeschlagen. Sie schloss die Augen. Ihre Fingerabdrücke auf den Handys. Sina machte keine Fehler. Trotzdem konnte es nicht sein. Oder doch? Sina hatte sie warnen wollen. Irgendetwas musste sein, aber was?
Ellen warf einen Blick auf das Blatt. Es zeigte in hoher Vergrößerung die Fingerabdruckspuren vom Handy und daneben einen Vergleichsabdruck von ihr selbst. Mit roten Kreisen waren die Übereinstimmungen gekennzeichnet. Darunter der Satz: Übereinstimmung 99,9 Prozent . Das Blatt trug Sinas Unterschrift. Was sollte sie jetzt noch sagen? »Ich bin eine Polizistin. Ich würde niemals …«
Kronen hob die Hand. »Lassen Sie diesen Quatsch. Woher kommen die meisten Brandstifter?«
Ellen sagte nichts. Sie kannte die Antwort.
»Aus der Feuerwehr«, beantwortete Kronen seine Frage selbst. Für ihn schien Ellens Schuld festzustehen.
»Und warum machen die das?« Kronen holte kurz Luft, dann redete er gleich weiter: »Richtig. Aus tausend Gründen: aus Frust, oder weil sie mal im Rampenlicht stehen wollen – als Helden und Retter. Ich muss schon sagen, Frau Faber, Sie haben sich erstklassig als Heldin in der Öffentlichkeit platziert. Sie haben es auf die Titelseite jeder wichtigen Zeitung gebracht und es sogar in jede wichtige Nachrichtensendung geschafft. Das ist schon eine Leistung.«
Ellens Stimmbänder weigerten sich, auch nur einen Laut zu produzieren. Kronen hatte ein unbestreitbares Indiz gegen sie in der Hand und ihr gerade ein passendes Motiv präsentiert. Sie wusste, dass es nicht stimmte, aber sie hatte kein Argument, das sie einbringen konnte.
»Wie soll ich diese Anschläge geplant und durchgeführt haben? Für so was habe ich nicht die nötigen Kenntnisse, geschweige denn die Zeit.«
»Man kann Helfer für alles finden, wenn man sich in der Szene auskennt. Durch Ihren Dienst kommen Sie mit einer Menge Leute in Kontakt, die all das können, was uns in diesem Fall die Ermittlungen so schwer macht. Mir war schon von Anfang an suspekt, wie perfekt der Erpresser auf alle unsere Schritte vorbereitet war. Es drängt sich geradezu auf, dass er von jemandem auf unserer Seite informiert wurde. Wer dieser Spitzel ist, kann ich mir zurzeit gut vorstellen. Wie Sie das im Einzelnen gemacht haben, finden wir schon noch heraus.«
An der Tür zum Vernehmungsraum klopfte es. Ein Beamter streckte seinen Kopf durch den Türspalt.
Kronen sah zu ihm hinüber. »Ich will nicht gestört werden. Sie sehen doch, dass ich mitten in einer Vernehmung bin.«
»Es ist sehr wichtig.«
Widerwillig stand Kronen auf und ging hinaus. Wenig später kam er zurück – in Begleitung von Stefan. Der hatte einen Laptop in der Hand.
Ihren Laptop.
Kronen lächelte siegessicher. »Ist das Ihr Laptop, Frau Faber?«
Ellen bestätigte es. Stefan legte den Laptop auf den Tisch.
»Dann berichten Sie, Herr Daudert.«
Ellen versuchte in Stefans Gesicht zu lesen. Es lag eine seltsame Mischung aus Zufriedenheit und Unzufriedenheit darin. Ansonsten wirkte er etwas steif, wie immer, wenn er dem Polizeipräsidenten gegenüberstand.
»Da gibt es nicht viel zu berichten. Alle relevanten Daten auf diesem Laptop sind professionell vernichtet worden.«
Ellen starrte auf ihren Laptop. Er war vollgepackt mit Fotos, Videos, Briefen und Unzähligem mehr. »Was soll das bedeuten: professionell vernichtet?«
»Erklären Sie Frau Faber, was die Spezialisten der KTU dazu sagen, Daudert. Obwohl sie das eigentlich selbst wissen müsste.«
»Die Daten sind nicht einfach nur gelöscht worden, wie es jeder normale PC-Nutzer macht. Dann könnten wir sie mit unseren
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