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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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Kronen wandte sich wieder an Brahe. »Außerdem soll ein Team der KTU die Wohnung von Kommissarin Faber durchsuchen. Kommissar Daudert soll dieses Team begleiten. Ich will, dass er mir persönlich Bericht erstattet.«
    Ellen sah Brahe an. Der wich ihrem Blick aus.
    »Kommen Sie bitte mit«, sagte er mit brüchiger Stimme.
    Ellen folgte ihm mechanisch. Zwei Beamte in Uniform warteten auf dem Gang. Als Brahe und Ellen das Büro verließen, folgten sie ihnen. Die beiden waren abgestellt, um eine Flucht zu verhindern, wurde Ellen mit einem Mal klar. Um zu verhindern, dass sie floh. Doch warum sollte sie fliehen wollen?
    »Was soll das, Herr Brahe? Warum behandelt man mich wie einen Verbrecher?«
    Brahe sah sie immer noch nicht an. »Der Polizeipräsident hat mir verboten, mit Ihnen darüber zu sprechen. Er will Sie selbst damit konfrontieren.«
    »Womit konfrontieren?«
    Brahe schüttelte den Kopf. »Sie sollen wissen, dass ich hinter Ihnen stehe, aber im Moment kann ich nichts tun. Der Polizeipräsident hat diese Sache zur Chefsache gemacht.«
    Ellen spürte, wie schwer es Brahe fiel, so mit ihr zu sprechen. Deshalb bohrte sie nicht weiter nach. Kronen hatte Brahe verboten, Auskunft zu geben, und daran hielt er sich. Im Zweifelsfall besaßen die Wände Ohren, auch im LKA. Welche Sache hatte Kronen zur Chefsache gemacht? Sosehr Ellen nachdachte, ihr fiel nichts ein, was man ihr zum Vorwurf machen könnte. Um was es hier auch ging, es musste schwerwiegend sein und Kronen sehr aufgebracht haben. Sonst hätte er es nicht gewagt, Direktor Brahe zu brüskieren, die Leiterin der SpuSi einzuschüchtern und das Büro einer seiner Hauptkommissarinnen und ihre Privatwohnung durchsuchen zu lassen.
    Ihre Wohnung! Ellen lief es heiß den Rücken hinunter. Stefan würde ihre Wohnung durchsuchen. Das war eine Katastrophe. Ellen wurde schlecht bei dem Gedanken, wo Stefan überall herumwühlen würde. Er würde die Situation schamlos ausnutzen. Dazu kannte sie ihn zu gut. Ihr Laptop fiel ihr ein – und es wurde ihr noch übler. Was da alles drauf war an persönlichen Bildern. Manches sehr persönlich und keinesfalls für andere Augen bestimmt, vor allem die intimen Bilder aus ihren Beziehungen, die sie gehabt hatte. Manche waren wirklich sehr offenherzig.
    Natürlich hatte sie den Laptop mit einem Passwort gesichert. Sie war sogar so vorsichtig und änderte es jeden Monat. Trotzdem … Kein Mensch konnte sich ständig neue Passwörter merken. Sie hatte sich ein System aus Monatsnamen und einer Zahl ausgedacht. Stefan kannte dieses System aus der kurzen Zeit, in der er mit ihr zusammen war. Er hatte damals schon darüber gelästert. Sie hatte seitdem mehrfach das Passwort geändert – aber nicht ihr System. Dumm war Stefan nicht. Er würde ihr neues Passwort problemlos knacken, und dann hatte er freien Zugriff. Auf alles!
    Brahe hielt ihr die Tür zum Vernehmungsraum auf. Die beiden Uniformierten hinter ihr ließen Ellen keine andere Wahl, als hineinzugehen. Sie kannte den Raum gut. Sehr gut sogar. Er war ungemütlich. Die Wände waren kahl und boten dem Auge keinerlei Ablenkung. Wie oft hatte sie schon an dem Tisch gesessen, der in der Mitte stand. Jetzt sollte sie wieder an ihm sitzen – auf der anderen Seite. Zögerlich ging Ellen um den Tisch herum. Diese Seite fühlte sich ganz anders an. Jetzt sah sie in die Kamera, die sonst hinter ihrem Rücken stand. Ellen warf einen Blick zu dem halb durchlässigen Spiegel an der Seitenwand. Sie wusste nicht, wer dahinter stand und sie beobachtete. Noch die kleinste ihrer Regungen würde man wahrnehmen, auf Video aufnehmen und später stundenlang analysieren. Schon wieder Kameras. Dieses Mal von ihren eigenen Kollegen.

30
     
    Hajo Richter ist ein Schachspieler, der von oben auf das Spielbrett sieht und seine Figuren beobachtet. Eigentlich ist er mehr als ein Schachspieler. Die Figuren in seinem Spiel sind lebendig, haben einen eigenen Willen – und sind trotzdem Figuren, die er nach Gutdünken einsetzen kann. Es ist ein großartiges Gefühl.
    Hajo weiß genau, wie es in Ellens Wohnung aussieht und was Stefan Daudert dort vorfinden wird. Daudert kennt er zwar nicht so gut wie Ellen, dafür ist der Typ bei Weitem nicht interessant genug. Aber Hajo kennt ihn doch gut genug, um genau zu wissen, was Daudert denkt und tun wird. Eine ganze Reihe von Fotos und Videos hat Hajo sich angesehen aus der Zeit, in der Ellen mit Daudert zusammen war.
    Er lehnt sich in seinem Bürosessel zurück und

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