Zehntausend Augen
Mitbürgerinnen und -bürger beruhigt auf die Straße gehen. Unsere Stadt ist wieder sicher.«
So stand es da, aber die Faber machte die Schlagzeile, nicht er. Es wurde über ihre Motive spekuliert und wie sie es schaffen konnte, die ganze Stadt zum Narren zu halten. Sie habe so überzeugend gewirkt in ihrem Bemühen, die Anschläge zu verhindern.
»Habe ich nicht überzeugend gewirkt?« Kronen knallte die Zeitung auf den Schreibtisch und rief Brahe an.
»Direktor Brahe ist noch nicht im Haus«, sagte Brahes Sekretärin.
»Arbeitet denn niemand hier?«, blaffte Kronen. »Er soll sofort bei mir vorbeikommen, wenn er endlich mal auftaucht.«
Kronen kochte zehn Minuten in seinem Ärger. Dann trat Brahe ein, müde und ausgelaugt, aber das war Kronen egal.
»Sehen Sie sich das hier an!« Er deutete auf die Zeitungen, die ausgebreitet auf dem Schreibtisch lagen.
Brahe warf einen kurzen Blick darauf, ohne genauer hinzusehen. »Artikel über den Fahndungserfolg gestern. Was soll damit sein?«
»Wie kommen die Zeitungen an die Informationen, dass wir Ellen Faber verhaftet und ihre Wohnung durchsucht haben? Das wusste kaum jemand, und nach außen dringen durfte das auf gar keinen Fall. Ich habe sie ihnen nicht gegeben.«
»Ich auch nicht.«
»Jemand muss sie informiert haben.«
»Wir vermuten schon länger, dass gewisse Redaktionen eine Quelle im LKA haben«, sagte Brahe. Er sah an Kronen vorbei auf einen imaginären Punkt an der weißen Wand.
»Und das dulden Sie?«
»Wir hatten bisher keine konkreten Anhaltspunkte, und die durchgesickerten Informationen waren kaum relevant.«
»Das hier ist relevant. Finden Sie das Leck in Ihrer Truppe! Und schicken Sie mir Kommissar Daudert her. Ich will mit ihm das weitere Vorgehen abstimmen.«
»Ziemlich viel Presse«, meinte Stefan Daudert nach der üblichen Begrüßung.
»Kann man sagen.« Kronen hatte wenig Lust, das Thema Presse zu vertiefen. »Ich will mit Ihnen den weiteren Ablauf besprechen. Nachdem wir Frau Faber festgenommen haben, werden Sie die Koordination der Ermittlungen in dem Erpressungsfall übernehmen. In enger Abstimmung mit mir, natürlich. Dazu gehört auch die Kommunikation mit dem Erpresser – falls der sich nochmals meldet.«
»Selbstverständlich.«
»Wie stellen Sie sich die nächsten Schritte vor?«
Daudert hatte sich über diese Frage offensichtlich schon Gedanken gemacht. »Wir müssen in zwei Richtungen ermitteln: Zum einen müssen die Beweise gegen Frau Faber erhärtet werden. Zum anderen müssen wir den oder die Helfer aufdecken, die es zweifellos gibt.«
»Wie wollen Sie vorgehen?«
»Der Erpresser wird durch die Nachrichtenmeldungen nervös sein und Fehler machen. Dann werde ich …«
In diesem Moment wurde die Tür zum Büro aufgerissen. Ein uniformierter Beamter stürzte herein. »Herr Polizeipräsident, das sollten Sie sich unbedingt ansehen.«
»Was soll ich ansehen und wo?« Kronen war nicht erbaut über die Störung.
»Gleich startet ein Fernsehbeitrag von unserem Erpresser. Er ist gerade im Morgenfernsehen angekündigt worden. Am besten in der Einsatzzentrale. Beeilen Sie sich.«
Das Stichwort Fernsehbeitrag elektrisierte Kronen. So schnell er konnte, folgte er dem Beamten und rannte fast den Gang zur Zentrale hinunter. Daudert folgte ihm dichtauf.
Heftig atmend erreichte Kronen die Zentrale. Der Raum war voll. Es herrschte angespannte Stille. Alle standen im Halbkreis um den Fernsehmonitor herum. Direktor Brahe war auch schon da. Sie hatten nicht viel verpasst.
Der Sprecher beendete seine Anmoderation: »… und sehen Sie jetzt selbst den Beitrag, den wir vor wenigen Minuten über E-Mail erhalten haben. Er zeigt den Einsatz des SEK-Teams in dem verlassenen Fabrikgebäude.«
Kronen sah Daudert fragend an. Der wurde blass.
Zuerst sah man nicht viel: einen schmutzigen Raum von innen. Der Erpresser musste winzige Kameras im Gemäuer installiert haben, so klein, dass sie niemandem aufgefallen waren. Eine Kamera zeigte den Raum aus einer zweiten Perspektive: Eine Person war schemenhaft zu erkennen. Sie stand vor einem Fenster. Bei genauerem Hinsehen erkannte man, dass es eine Schaufensterpuppe war.
Kronen sah wieder zu Daudert und meinte, einen Schimmer von Grün in dessen Gesicht zu erkennen.
In dem Film brüllte jemand: »Zugriff!« Die Tür splitterte. Eine Stimme rief: »Polizei. Keine Bewegung!«
Man sah schwarz gekleidete Gestalten durch die zerstörte Tür in den Raum drängen. Sie trugen Waffen und
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