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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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hatte einen roten Kopf und japste nach Luft. Sie musste gelaufen sein.
    »Sie haben mir persönlich die Übereinstimmung bestätigt. Was soll das jetzt schon wieder?«
    »Die Fingerabdrücke stimmen auch überein, aber sie sind nicht von Frau Faber.«
    »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Frau Ahuus? Das ist der falsche Zeitpunkt für Scherze.« Kronen wollte sich wieder von Sina Ahuus abwenden.
    »Ich mache keine Scherze. Ich habe die ganze Nacht daran gearbeitet.«
    Sie sah tatsächlich übermüdet aus, fast so, als würde sie bald zusammenbrechen. Sie trug noch ihren Laborkittel, auf dem vorne ein hässlicher Kaffeefleck zu sehen war.
    »Das Grundmuster und die Minutien sind von Frau Faber, das ist richtig. Aber das Material, aus dem der Fingerabdruck besteht, ist von einem Schwein.«
    Kronen verstand nicht auf Anhieb, was Sina sagen wollte. »Der Erpresser ist ein Schwein«, sagte er. »Das wissen wir alle.«
    »Ich meine, das Fett des Fingerabdrucks ist tierisches Fett. Schweinefett.«
    »Schweinefett? Wie soll ich das verstehen?«
    »Erinnern Sie sich, wie vor Jahren der Fingerabdruck von Innenminister Schäuble veröffentlicht wurde. Man hatte ihn heimlich genommen, auf Folie kopiert, vervielfältigt und anschließend bundesweit verschickt.«
    Kronen erinnerte sich schwach daran. »Was hat das mit uns zu tun?«
    »Der Erpresser muss sich irgendwie einen Fingerabdruck von Ellen Faber besorgt haben. Dann hat er den Abdruck kopiert und mit Schweinefett nachgebildet. Diese Kopie hat er dann auf den Handys angebracht. Die ganze Aktion mit den Handys war eine Falle. Nicht nur für Stefan Daudert, auch für Ellen Faber.«
    Jetzt verstand Kronen, was Sina Ahuus meinte. Nicht nur die Fakten – auch die Konsequenzen. Sein Puls begann zu rasen. Wenn er noch einen Rest von diplomatischer Zurückhaltung besessen hatte, verschwand der jetzt endgültig.
    »Was ist das für eine Scheiße?«, polterte Kronen los. »Da kommt ein Erpresser daher und lockt einfach so ein SEK-Team in eine Falle. Und sofort danach verarscht er auch die gesamte KTU. Bin ich denn nur noch von Dilettanten umgeben? Zuerst erschießt die Polizei eine Schaufensterpuppe, und dann fallen wir auf einen gefälschten Fingerabdruck rein. Ich sehe schon die Schlagzeilen: ›Polizei entdeckt Fingerabdruck eines Schweins.‹ Wenn das an die Öffentlichkeit kommt, lacht die ganze Welt über uns.«
    »Herr Polizeipräsident«, sagte in diesem Moment Khalid.
    »Ja, was ist?« Kronen fuhr herum.
    »Das mit der Öffentlichkeit lässt sich nicht mehr vermeiden.«
    »Warum?«
    »Wir sind seit eben auf Sendung, weil der Erpresser in der Leitung ist.«
    Kronen erstarrte in seiner Bewegung. »Das bedeutet … das bedeutet …«
    »… dass die ganze Welt alles miterlebt hat«, sagte Khalid ruhig.
    Bevor Kronen reagieren konnte, klang eine wohltönende, überaus freundliche Stimme aus dem Lautsprecher.

35
     
    Niemand wollte mehr in der Mitte der Zentrale stehen. Jeder bemühte sich, so unauffällig wie möglich an den Rand zu kommen, aus dem Erfassungsbereich der Kameras hinaus. Unversehens stand Kronen alleine im Zentrum.
    »Polizeipräsident Kronen, welche Ehre, Sie kennenzulernen.«
    War es Ernst? War es Spott? Der emotionslosen Stimme konnte Kronen nichts entnehmen. Er sah sich irritiert um. In diese Situation hatte er nicht kommen wollen. Unvorbereitet und wütend erst recht nicht. »Wer sind Sie? Was wollen Sie?«, fragte er.
    Aus den Lautsprechern klang das künstlich eingespielte Lachen. »Diese Fragen hatten wir schon. Wir wollen uns doch nicht wiederholen. Außerdem muss man sich hier Antworten verdienen, Herr Polizeipräsident.«
    Kronen presste seine Kiefer zusammen.
    »Ihrer Gesichtsfarbe nach zu urteilen, sind Sie sehr engagiert«, sagte die Stimme.
    Noch schlimmer als die Worte war der zuvorkommende, freundliche Tonfall. Kronen spürte, wie er noch roter anlief.
    »Es wäre sicher ein äußerst unterhaltsames Spektakel, wie Sie vor Wut platzen. Aber vorher möchte ich Ihnen von einem Erfolg berichten.«
    »Ich höre«, presste Kronen hervor.
    »Es ist Ihnen gelungen, durch Ihr geschicktes Vorgehen die Aufmerksamkeit der Bundesregierung auf sich zu ziehen. Die Sendung heute im Morgenfernsehen ist sehr interessiert aufgenommen worden. Aus sicheren Quellen ist mir bekannt, dass viele bedeutende Persönlichkeiten die Live-Übertragung mit Ihnen genießen.«
    Mehrere Sekunden vergingen. Kronens Verstand weigerte sich zuerst, die Aussage zu verstehen, dann

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