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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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falsch hielt.
    Die Beamtin drückte den winzigen Lautsprecher in Ellens Ohr.
    »Halten Sie mal Ihre Haare hoch«, bat sie.
    Ellen tat es. Normalerweise bekam man einen Empfänger hinten am Hosenbund befestigt, der dann mit einem Mikro verbunden wurde, das auf dem Brustbein klebte. Dafür war das Kabel aber viel zu kurz, und ein Mikro sah Ellen gar nicht.
    »Wo ist das Mikro?«, fragte Ellen.
    »Ein Mikro brauchen Sie nicht, weil wir sowieso alles hören. Entscheidend ist, dass Sie uns hören.«
    Burgsmüller wollte sie wirklich nur als Sprachrohr benutzen. Sie hatte keine Zeit gehabt, sich freiwillig für diese Rolle zu entscheiden. Er hatte sie ihr aufgezwungen. Je länger Ellen darüber nachdachte, desto weniger konnte sie sich damit anfreunden. Möglicherweise musste sie Dinge sagen, die sie nicht sagen wollte. Aber vor aller Welt würde es so aussehen, als hätte sie es gesagt. Und alle Welt würde sie für das Ergebnis verantwortlich machen. Ihr Foto würde dann in der Presse erscheinen. Von Burgsmüller wusste niemand etwas.
    Die Frau machte sich an Ellens Nacken zu schaffen.
    »Was machen Sie denn da?«, fragte Ellen.
    »Ich klebe den Empfänger an. Unter den Haaren ist die einzige Stelle, wo man ihn nicht sehen kann.«
    »Unter den Haaren?«
    »Wo sonst? Sie müssen sich ja gleich wieder ausziehen.«
    »Scheiße«, brummte Ellen. Sie ließ die Haare fallen und sah die Beamtin wütend an. »Jetzt soll ich da gleich im Slip rausmarschieren, mich vor Burgsmüller präsentieren und von ihm kommandieren lassen.«
    Die Frau machte einfach weiter und prüfte, ob der Empfänger gut genug fixiert war.
    »Machen wir eine Empfangsprobe.« Die Frau ging ein paar Schritte von Ellen weg und sprach in ein kleines Ansteckmikrofon.
    In Ellens Ohr ertönte: »Eins, zwei, eins, zwei. Verstehen Sie mich?«
    »Ja«, knirschte Ellen.
    Ellen zog sich das Shirt wieder über. Sie hatte nicht vor, zur Unterhaltung der BKA-Leute fast nackt herumzulaufen.
    Ellen hatte gehofft, dass sie in die Ersatzzentrale zu einer Besprechung gingen, doch sie hatte sich getäuscht. Die Beamtin führte sie sofort in die Zentrale mit den Kameras. Ellen bemerkte einige Klebestreifen auf dem Boden, die sie nicht deuten konnte. Anscheinend hielt man es nicht für nötig, sie in die Pläne einzuweihen. Sie sollte nur noch als Aushängeschild von Burgsmüller fungieren, weil der Erpresser ausschließlich mit ihr reden wollte.
    Eine halbe Stunde stand Ellen untätig herum. Ihre einzige Gesellschaft war die Frau, die sie verkabelt hatte. Sie wich keinen Zentimeter von ihrer Seite. Ellen zweifelte keine Sekunde daran, dass sie zu ihrer Bewachung da war. Burgsmüller traute ihr nicht.
    Aus dem Gang näherten sich Stimmen. In wenigen Minuten füllte sich der Raum.
    Ellen hielt nach bekannten Gesichtern Ausschau. Außer Polizeipräsident Kronen kannte sie niemanden. Wo war Sina, wo war Stefan? Burgsmüller war offenbar extrem misstrauisch gegen jeden, der nicht zu seinem eigenen Team gehörte. Die Leute verteilten sich so im Raum, dass sie alle hinter einem der Klebestreifen standen. Alles war offenbar vorher arrangiert worden, selbst die Position der einzelnen Beamten im Raum, wie auf einer Theaterbühne.
    Dann entdeckte Ellen, dass man die Kameras geringfügig verstellt hatte. Burgsmüller hatte den Raum vermessen lassen und tote Winkel geschaffen. Von da aus konnten seine Leute Ellen beobachten, ohne dass der Erpresser sie sehen konnte. Mich stellen sie auf den Präsentierteller, und sie selbst verstecken sich.
    Burgsmüller trat neben sie. Er überprüfte, ob man sie in ihrer jetzigen Position über die Kamera am Bildschirm gut sehen konnte.
    »Was haben Sie vor?«, fragte Ellen.
    »Das erfahren Sie früh genug. Konzentrieren Sie sich ganz auf die Kommunikation mit dem Erpresser – und sagen Sie das, was ich Ihnen vorgebe.«
    »Ich werde nichts sagen, was ich nicht verantworten kann.«
    »Wir haben noch weniger Zeit für eine Diskussion als vorhin. Der Erpresser kann sich jeden Moment melden. Bereiten Sie sich bitte darauf vor.«
    »Wie soll ich mich vorbereiten? Sie haben mich in nichts eingeweiht.«
    »Es geht nicht um unsere Pläne, es geht um die Regeln des Erpressers, und die kennen Sie. Also ziehen Sie sich aus.«
    Ellen zögerte. Bisher hatte sie es freiwillig getan. Jetzt wurde ihr im Prinzip befohlen, sich vor der versammelten Mannschaft des BKA nackt bis auf den Slip auszuziehen.
    »Nun machen Sie schon«, sagte Burgsmüller. »Die ganze Welt hat

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