Zehntausend Augen
hatte einen braunen Umschlag in der Hand.
»Wo waren Sie gestern Abend?«, fragte Burgsmüller, nachdem er die Kamera eingeschaltet hatte.
»Wenn das eine Vernehmung werden soll, werden Sie mich jetzt über den Grund aufklären«, sagte Ellen. »Vorher werde ich nicht mit Ihnen sprechen. Und wenn es keine Vernehmung ist, dann schalten Sie die Kamera ab.«
Burgsmüller sah Ellen durchdringend an. Ellen hielt seinem Blick stand.
»Ich dokumentiere immer alles. Man weiß vorher nie, welche Kleinigkeit später von Bedeutung sein kann. Aber weil wir hier keine Vernehmung haben, sondern ein Gespräch unter Kollegen …« Der BKAler schaltete die Kamera wieder ab. Ellen sah ihm an, dass er es widerstrebend tat.
»Gestern Abend war ich bei meiner Schwester«, sagte Ellen ruhig. Vom Treffen mit Marina Wirtz musste dieser Kerl nichts wissen. Ellen hatte nicht vor, mehr als nötig preiszugeben.
»Warum haben Sie dort übernachtet?«
»Das tue ich gelegentlich. Wir haben ein gutes Verhältnis zueinander.«
»Könnte gestern Abend das hier der Grund für Ihren Besuch bei Ihrer Schwester gewesen sein?« Burgsmüller zog zwei Fotos von Hanna und Elias aus dem Umschlag und schob sie über den Tisch. Ellen warf einen kurzen Blick darauf. Es waren schöne Fotos, die die Kinder beim Spielen in einem Park zeigten.
Burgsmüller beugte sich vor und tippte auf die Fotos. »Das sind die Bilder, die der Erpresser gestern über den Monitor hat laufen lassen. Ihre Nichte Hanna Faber und Ihr Neffe Elias Faber. Sie werfen einige Fragen auf.«
»Sie werden mir diese Fragen mit Sicherheit gleich stellen.«
Burgsmüller zog die Bilder wieder zu sich heran. »Wir fragen uns, wie der Erpresser an diese Bilder kommt. Was meinen Sie?«
»Wenn er sie nicht von meiner Schwester hat, kann er sie nur von meinem Laptop gestohlen haben. Vielleicht ist er in ihn eingedrungen, ohne dass ich das bemerkt habe.«
»Das ist natürlich nur eine Vermutung.«
»Mehr kann ich Ihnen nicht bieten.«
Burgsmüller lehnte sich zurück. »Das ist sehr wenig. Und wir können auch im Nachhinein nichts mehr herausfinden, weil Ihr Laptop professionell gereinigt worden ist. Alle Beweise sind weg. Zurück bleiben Vermutungen. So etwas gefällt mir nicht.«
Ellen zuckte mit den Schultern. »Mir auch nicht.«
»Er hat noch mehr private Fotos von Ihnen.« Jetzt schob Burgsmüller das Foto über den Tisch, das Ellens nackten Oberkörper zeigte. Das Tiger-Tattoo war gut sichtbar.
Ellen schob die Aufnahme zurück. »Ich weiß, wie ich aussehe.«
»Das nehme ich an. Viel interessanter ist die Frage, woher der Erpresser das weiß.«
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen.«
»Sie werden verstehen, dass ich es seltsam finde, wenn Sie nicht wissen, wer intime Fotos von Ihnen besitzt.«
»Das verstehe ich. Es ändert aber nichts daran, dass ich das Foto selbst zum ersten Mal gesehen habe. Ich habe einen Verdacht, wer das Foto geschossen haben könnte, und habe Direktor Brahe gestern noch informiert. Ich hatte noch keine Gelegenheit, ihn nach Ergebnissen zu fragen.«
»Aber ich.« Burgsmüller zog eine Liste aus seinem Umschlag und legte sie auf den Tisch. »Das ist die Gästeliste Ihres Hotels. Wir werden uns selbstverständlich darum kümmern.« Burgsmüller ließ seinen Blick auf der Liste ruhen. »Aber ehrlich gesagt, verspreche ich mir wenig davon. International nach einem Mann zu suchen, von dem Sie nicht mal den Namen kennen, ist wenig erfolgversprechend. Es sei denn, Sie hätten ein Foto.«
»Da muss ich passsen. Meine Fotos sind alle auf meinem Laptop – gewesen.«
»Wie schön, wenn man etwas hat, auf das man alles schieben kann. Müssen wir mit weiteren Überraschungen rechnen?«
Das hatte Ellen sich auch schon gefragt. Sie hoffte sehr, dass es keine weiteren Überraschungen gab, konnte aber nichts ausschließen. Sie achtete darauf, Burgsmüllers Blick nicht auszuweichen. Das hätte er sofort als Eingeständnis gewertet, dass sie etwas zu verbergen hätte.
»Ich kann Ihnen nicht voraussagen, welche Informationen der Erpresser noch aus meinem Privatleben hat und was er damit tun wird.«
»Sie haben nicht zufällig Sicherheitskopien von Ihrem Laptop?«
»Nein.«
»Woher habe ich gewusst, dass diese Antwort kommt?« Burgsmüller verzog den Mund zu einem spöttischen Grinsen. »Sie sollten sich nicht zu sicher sein, weil wir keine Beweise haben, Frau Hauptkommissarin.«
»Sie haben nicht deshalb keine Beweise, weil ich sie zu gut vernichtet hätte,
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