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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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ihn über den Besuch in Kenntnis zu setzen.
     
    Rechts neben der Haustür gab es eine einfache Klingel. »Heinz und Maria Pawelek« stand auf dem Schild. Als Ellen daraufdrückte, gab es ein kratziges Geräusch. Hinter einem Fenster bewegte sich etwas, sonst tat sich nichts. Ellen klingelte wieder. Beim dritten Mal wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet, gerade so weit, wie eine dicke Kette reichte. So eine Kette hatte Ellen selbst in Berlin nicht gesehen.
    »Was wollen Sie?«, fragte eine abweisende Stimme. Das musste Maria sein. Sie war deutlich älter als Ellen oder Danuta.
    Ellen erzählte in kurzen Stichworten, was sie mit Andreas Schuster erlebt hatte. Maria öffnete sich zusehends.
    »Kommen Sie herein.«
    Die Kette wurde gelöst.
    »Sie müssen verstehen. Ich will nicht mit jedem reden«, sagte Maria entschuldigend.
    »Kein Problem.«
    Maria erweckte den Eindruck einer eingeschüchterten, verzweifelten Frau. Sie ging gebeugt in die große Küche und setzte sich auf einen Stuhl. Die Hände legte sie gefaltet in ihren Schoß und sah einfach zu Boden. Ellen setzte sich schweigend neben sie und überlegte, wie sie anfangen sollte. Sie hatte so viele Fragen.
    Glücklicherweise schien Maria jetzt reden zu wollen. Anfangs stockend, dann immer flüssiger erzählte sie von ihrem Mann. Mitten in einem Satz begann das Telefon zu klingeln. Schrill und altmodisch. Maria sah überrascht auf. Es gab nur selten Anrufe. Ellen verwünschte den Apparat. Gerade jetzt, wo es für sie spannend wurde, musste er stören.
    Ellen verfolgte ungeduldig, wie Maria sich aufrappelte und unsicher den Hörer ans Ohr presste. Es konnten keine guten Nachrichten sein. Maria wirkte zuerst ungläubig. Dann stand die blanke Angst in ihren Augen. Sie sagte während der ganzen Zeit kein einziges Wort. Zitternd legte sie den Hörer wieder auf.
    »Gehen Sie jetzt«, sagte Maria kaum verständlich.
    Ellen zögerte.
    »Sie müssen gehen!«, forderte Maria deutlich lauter.
    »Werden Sie bedroht?«, versuchte Ellen, die Situation zu retten.
    Ohne eine Antwort ging Maria zur Tür und öffnete sie. Sie zitterte am ganzen Körper. Ellen sah ein, dass weiteres Drängen keinen Zweck hatte. Trotzdem wollte sie mindestens eine Information mitnehmen.
    »Von wem haben Sie Saatgut gekauft? Ich gehe nicht, bis Sie mir das sagen.«
    »Saaten-Schlaub«, sagte Maria widerwillig. »Und jetzt gehen Sie. Bitte!«
    »Ich wünsche Ihnen alles Gute.« Was sonst eine billige Floskel war – in diesem Moment wünschte Ellen Maria das wirklich aus ganzem Herzen.
    Draußen vor dem Tor sah Ellen sich kritisch nach allen Seiten um. Es gab nichts Ungewöhnliches zu sehen. Trotzdem war sie beunruhigt.
    Irgendetwas stimmt hier nicht. Dieser Anruf ist kein Zufall gewesen.
    Die nächsten Versuche verliefen noch ernüchternder. Niemand machte überhaupt die Tür auf. Kein Einziger. Dabei war in den meisten Fällen offensichtlich, dass jemand zu Hause war. Für Ellen war die Sache eindeutig. Die Leute waren vorgewarnt. Beim ersten Mal war der Anrufer nicht schnell genug gewesen, später dann doch.
    Sie wissen, wo ich hinfahre. Ich werde beobachtet.
    Der letzte Besuch würde anders ablaufen. Eine Firma konnte man nicht einfach verrammeln. Ellen kannte Saaten-Schlaub vom Vorbeifah ren. Die Gebäude lagen an der B167 kurz vor Neu-Ruppin, also auf ihrem Weg nach Hause. Die Firma war nicht sonderlich groß, sie belieferte die Landwirte der Region mit Saatgut und anderem Verbrauchsmaterial.
    Ellen kam kurz vor Geschäftsschluss an. Nach den Erfahrungen der letzten Stunden rechnete sie auch hier nicht mit einem freundlichen Empfang , und genauso kam es auch. Sobald sie ins Blickfeld der Empfangsdame kam, froren deren Gesichtszüge ein, aber weglaufen konnte sie nicht. Sie musste noch zehn Minuten hinter ihrem kleinen Tresen aushalten.
    »Kann ich bei Ihnen Saatgut kaufen?«, fragte Ellen ganz neutral.
    Die Antwort kam gezwungenermaßen und so knapp wie möglich: »Ja.«
    »Und auch Dünger und Pestizide?«
    »Pflanzenschutzmittel und Schädlingsbekämpfungsmittel«, korrigierte die Dame bissig. Der Sammelbegriff »Pestizide« war in der Branche äußerst unbeliebt.
    »Darf ich fragen, von wem Sie Ihre Ware beziehen?«
    »Das dürfen Sie nicht. Das geht Sie gar nichts an.«
    Ellen wies schmunzelnd auf das riesige Plakat hinter der Frau. Es zeigte einen fröhlichen Bauern auf seinem Traktor. Eine attraktive Frau stand daneben. Hinter dem Traktor sah man ein erntebereites Feld und zwei blonde

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