Zehntausend Fallen (German Edition)
leere Tischplatte. Langsam wurde Paschewski bewusst, dass er mal wieder einen Fehler gemacht hatte, aber er wusste noch nicht, welchen.
»Darüber reden wir nicht«, zischte sein rechter Nachbar.
Jetzt begriff auch Paschewski. Die Selbstmorde waren unter ihnen ein Tabu. In den Dörfern wurde darüber gesprochen, aber nicht hier.
»'tschuldigung«, murmelte Paschewski und sah jetzt auch auf die Tischplatte.
»Es gibt keinen Grund, mit ihr zu reden«, ergriff Schlaub wieder das Wort. »Über nichts«, ergänzte er mit scharfem Blick auf Paschweski. »Sie will nur unseren Frieden stören und Unruhe stiften.«
Allen war klar, dass diese Aussage einem Kontaktverbot gleichkam, aber das war ihnen egal. Niemand brauchte diese Faber. Jeder musste sehen, dass sein eigener Hof am Laufen blieb, was oft genug harte Arbeit war.
»Die Sitzung ist hiermit geschlossen.«
An diesem Abend ging Schlaub nicht wie üblich sofort zur Kneipe. Er suchte sich in einer Nebenstraße einen Ort, wo er ungestört telefonieren konnte.
Schlaub wählte eine Nummer in der Nähe von Brüssel.
»Ich habe alles so gemacht, wie Sie gesagt haben. Hier wird niemand mehr mit Ellen Faber reden.«
»Sehr gut. Sie wissen, nur gute Kunden bekommen gute Konditionen.«
»Das müssen Sie mir nicht jedes Mal unter die Nase reiben. Ich weiß es inzwischen.«
Die andere Seite hatte schon aufgelegt. Schlaub ärgerte sich. Er konnte absolut nicht leiden, wenn jemand so mit ihm umsprang. Aber was blieb ihm anderes übrig? Er war freier Unternehmer. Gut und schön. Aber die meisten Leute überschätzten diese Freiheit dramatisch. Er musste Gewinn machen , und den gab es nur, wenn er gute Konditionen bei seinen Lieferanten heraushandelte. Saatogo war eine marktbeherrschende Größe, die ihre Konditionen wie kein anderes Unternehmen an das Wohlverhalten ihrer Kunden band. Gute Rabatte gab es nur, wenn man exklusiv für Saatogo arbeitete. Und nur mit diesen Rabatten konnte er Preise machen, die die Bauern zu ihm lockte. Würde er Saatogo verprellen, könnte er seinen Laden gleich verkaufen.
So viel zum freien Unternehmertum, dachte Schlaub missgelaunt. Spurst du nicht, wirst du von deinem Geschäftspartner fallen gelassen und von den Konkurrenten gefressen.
Jetzt brauchte er mehr als ein Bier und mehr als einen Schnaps.
Hasels war an diesem Tag sehr zufrieden mit sich. Ellen Faber hatte zwar eine Spur aufgenommen, aber seine Maschinerie lief wie geschmiert. Er sah auf die Übersichtskarte. Überall waren seine Figuren platziert. Es war wie ein überdimensionales Schachspiel. Der Unterschied zu einem Schachspiel war, dass der Sieger in diesem Spiel schon feststand. Er hieß Hasels. Wie immer. Was sollte Ellen Faber gegen ihn ausrichten? Sie war allein, hatte nichts Konkretes in der Hand – und nicht die geringste Ahnung, mit welcher Art Gegner sie sich eingelassen hatte. Fast tat es Hasels leid, dass dieses Spiel so einfach war. Das wurde mit der Zeit langweilig.
Zur Abwechslung loggte Hasels sich ins Internet ein. Über ein paar Umwege besuchte er die Seiten mehrerer Onlinebroker, bei denen er Wertpapierdepots besaß, unter falschem Namen natürlich. Er hatte keine Lust, wegen der Verwendung von Insiderwissen angeklagt zu werden, und davon besaß er jede Menge. Es wäre Verschwendung gewesen, dieses Wissen nicht zu Geld zu machen, zu viel Geld. Warum sollten nur »die da oben« dick absahnen?
Nach der Durchsicht der Zahlen lehnte Hasels sich zufrieden zurück. Die Depots entwickelten sich prächtig. Wie gut, dass er nicht bloß auf Aktien oder Fonds gesetzt hatte. Optionen besaßen einen wesentlich größeren Hebel. Dementsprechend stiegen seine Gewinne überproportional. Am besten liefen die Optionen auf Rohstoffe – und vor allem die auf landwirtschaftliche Produkte. Jede Preiserhöhung auf dem Markt spülte Geld in seine Kasse. Und da würde demnächst noch einiges in Bewegung kommen. Dieses Geschäft würde ihm niemand verderben, erst recht nicht so eine kleine neugierige Expolizistin.
In Gedanken verlängerte er seine Gewinnkurve. Sie zeigte steil nach oben. Einfach phantastisch.
9
Früher gehörten Polizeiwachen zu Ellens Leben wie eine Backstube zu einem Bäcker. Meistens erkannte man Ell en sofort. Als Leiterin des lka 632 in Berlin war sie für die wirklich schwierigen Brocken verantwortlich gewesen. Ellen hatte vier sek -Teams plus Scharfschützen unter sich gehabt, was gerade in der Hauptstadt eine besondere Herausforderung war.
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