Zehntausend Fallen (German Edition)
die Linse zu. Es krachte. Das Bild wurde schwarz.
Hasels zuckte zusammen. Damit hatte er nicht gerechnet. Als die Schrecksekunde vorüber war, lehnte er sich zurück und lächelte.
»Das wird vielleicht amüsanter, als ich dachte. Die Kleine ist wirklich gut.«
Er hatte gar nicht richtig mitgekriegt, wie sie seine beiden Leute fertiggemacht hatte, so schnell war es gegangen. Dabei waren die beiden nicht von Pappe. Das musste er sich gleich noch mal in Zeitlupe ansehen, aber vorher war noch etwas zu regeln.
»Rob«, sprach Hasels in die Gegensprechanlage, »die Bezüge für Boris und Alexej um die Hälfte kürzen. Diese Flaschen sind nicht mehr wert.«
Ellen hatte die Kamera zerstört, aber fertig war sie noch nicht. Sie ging wieder zu den Männern. Jetzt lag auch der Wortführer am Boden, vor Schmerzen zusammengekrümmt. Er hielt sich die Seite. Der andere lag still. Ellen prüfte mit geübten Griffen den Zustand der beiden, so gut es ihr möglich war. Außer heftigen Schmerzen in den nächsten Stunden würden sie keine bleibenden Schäden davontragen. Vorausgesetzt , sie schonten sich und riskierten nicht so schnell wieder einen Kampf, aber das war nicht Ellens Problem.
Der Wortführer rührte sich und versuchte, sich aufzurichten.
»Liegen bleiben!«, herrschte Ellen ihn an. Er gehorchte sofort.
In seinen Taschen fand Ellen eine Pistole und etwas Geld. Der andere hatte nur ein Messer und ebenfalls Geld. Zusammen kam sie auf knapp vierhundert Euro. Ellen nahm es ohne schlechtes Gewissen an sich. Sie betrachtete es als Anzahlung für ihre demolierte Einrichtung. Die Pistole steckte sie sich hinten in den Hosenbund und das Messer dazu, mit eingefahrener Klinge natürlich. Die Handys und die Autoschlüssel nahm sie ebenfalls mit.
Als Ellen die alte Fabrik verließ und draußen den Mercedes stehen sah, spielte sie kurz mit dem Gedanken, den Wagen zu nehmen. Sie entschied sich dagegen. Über das eingebaute Navigationssystem oder andere Einrichtungen konnte er möglicherweise geortet werden. Woher sollte sie wissen, wie dieser Hasels seine Leute überwachte? Den Wagen zu benutzen war einfach zu gefährlich. Also warf Ellen den Autoschlüssel kurzerhand weit in die dichte Brombeerhecke hinein. Die Geldbörsen mit Ausweis, Führerschein und Kreditkarten folgten, nachdem sie sich die Adressen gemerkt hatte. Ersatz zu besorgen würde die Männer einige Mühe kosten, aber in dieser Zeit würden sie wenigsten keine Leute unter Druck setzen.
Das Taxi wartete tatsächlich noch da, wo sie es verlassen hatte.
Der Fahrer war erleichtert, Ellen zu sehen. »Ich hab mir echt Sorgen um Sie gemacht.«
»Unnötig. Das war nur ein unwichtiges Treffen.«
Ellen hatte keine Lust, dem Taxifahrer mehr als nötig zu verraten. Außerdem hatte sie keine Zeit. Ihr Handy meldete sich. Es war Sina.
»Ellen, du musst verschwinden. Rux hat dna -Proben auf dem Handy untersuchen lassen, und sie stimmen mit deinen überein.«
»Ich dachte, ich hätte vierundzwanzig Stunden?«
»Das dachte ich auch. Rux muss mächtig Druck gemacht haben. Wie sie das so schnell ausgewertet haben, weiß ich auch nicht.«
»Bist du sicher? Woher weißt du das eigentlich?«
»Sagen wir so: Ich habe einen Kollegen auf dem kurzen Dienstweg um Amtshilfe gebeten. Mehr konnte ich aber nicht tun. Rux wird in diesem Moment den Bericht erhalten.«
»Fuck! Und jetzt?«
»Sagte ich doch: verschwinden – oder in den Knast wandern. Das kannst du dir aussuchen.«
»Okay. Ich melde mich wieder.«
Jetzt musste es schnell gehen. Wenn Rux und Hasels in Verbindung standen, wusste Rux, wo sie war. Sie musste hier weg.
»Fahren Sie los! Irgendeine Richtung.«
In aller Eile durchkämmte Ellen den Rufnummernspeicher der beiden Handys. Die meisten Namen sagten ihr nichts, aber sie fand die Nummer von Hasels.
»Wir kommen dir näher«, murmelte sie vor sich hin.
Die Nummer kam aus dem europäischen Ausland. Mehr konnte sie noch nicht sagen, aber das würde sich bald ändern. Zuerst musste sie ihr aktuelles Problem lösen. Die Wohnung der beiden Männer nach Beweismaterial zu durchsuchen, fiel flach. Falls Hasels auf den gleichen Gedanken kam, lief sie der Polizei dort ins offene Messer. Sie musste sich etwas Luft verschaffen und ihre Gedanken sortieren, stellen konnte sie sich später immer noch. Die Handys warf sie einfach aus dem Fenster. Die Polizei würde mit Sicherheit nach ihnen suchen.
»Fahren Sie mich nach Neuruppin zum Bahnhof«, bat Ellen.
Der Fahrer
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