Zehntausend Fallen (German Edition)
rausgehen lassen, werden Hasels Leute denken, das ist ganz normales Tagesgeschäft.«
Veritatis nahm den Zettel. Er studierte ihn, als hätte er noch niemals eine Telefonnummer und eine Adresse gesehen.
29
Da stand er wieder, dieser Russe, bewegungslos wie eine Wachsfigur, die man zwischen der Tür zu seinem Büro und der zu dem Büro von Tanja, seiner Sekretärin, platziert hatte.
Veritatis steckte hastig den Zettel, den dieser Typ im Taxi ihm gegeben hatte, in die Hosentasche. Das Zittern konnte er nicht so leicht verbergen. Es hatte angefangen, als das Taxi verschwunden war, nachdem ihn die rothaarige Frau in der Nähe des Instituts hatte aussteigen lassen. Auf dem kurzen Fußweg war es wieder weniger g eworden. Die Bewegung hatte gutgetan, aber jetzt, als er an die beiden im Auto dachte, kam es zurück.
Die Frau, sie war so schön und so klug, aber auch so hart, dass es wehtat. Der Mann, auch er war klug und hart. Veritatis verstand, warum Hasels die beiden für gefährlich hielt. Er konnte immer noch nicht fassen, wie leicht sie ihn aus der Umklammerung von Hasels weggelockt hatten. Die Fahrt durch Berlin hatte ihn mehr beeindruckt, als er zugeben wollte. Er hatte so getan, als würden ihn die ausgebrannten Autos und die eingeworfenen Scheiben nicht interessieren, aber irgendwie verfolgten ihn diese Bilder bis ins Institut. Er konnte das Geräusch noch hören, wie das Taxi ein Stück durch die Reste der Melonen gefahren war. Es war, wie wenn man durch grauen Schneematsch fuhr.
Trug er tatsächlich Mitverantwortung daran? Er hatte weder genmanipuliertes Saatgut hergestellt noch welches verkauft. Das hatten andere getan. Dann sah er Bilder vor seinen Augen, er im Fernsehen, und wie ein Sturm der Entrüstung über ihm zusammenbrach.
Das Zittern wurde stärker. Veritatis war überzeugt, dass jeder ihm ansehen musste, dass er kaum geradeaus laufen konnte. Zum Glück gab es um diese Zeit in diesem Gang fast keinen Betrieb, und Alexej schien nichts anderes zu sehen als die gegenüberliegende weiße Wand.
Veritatis atmete tief durch, als er den Russen passiert hatte. Sein Herz schlug heftig. Für so ein Leben war er nicht gemacht. Er kannte den Umgang mit Wissenschaftlern, aber nicht mit Bodyguards, die aussahen wie Catcher. Er war noch nie verfolgt und unter Druck gesetzt worden. Er hatte ein ganz normales Leben geführt – bis er gestern Abend dieser Rothaarigen mit ihrem Partner in die Fänge geraten war. Und jetzt sollte er ihnen auch noch Unterlagen beschaffen.
Veritatis schloss die Tür zu seinem Büro auf, öffnete sie und ... hasels !
Da saß dieser wuchtige Mann in seinem, Veritatis', Bürostuhl, legte Unterlagen weg und sah ihn an. Sein Blick zeigte Ärger, der von Sekunde zu Sekunde wuchs. Veritatis blieb fast das Herz stehen. Wie ...? Tanja musste Hasels hereingelassen haben, durch die Zwischentür, die direkt von ihrem zu seinem Büro führte.
»Auch schon da?«, sagte Hasels, während er aufstand. Die Kühle in seiner Stimme passte überhaupt nicht zu der Wut, die seine Augen ausstrahlten. »Wo waren Sie die letzten Stunden?«
Veritatis kam gar nicht auf die Idee, zu sagen, das ginge Hasels nichts an. Diese Augen hielten ihn in ihrem Bann. »Ich hatte eine Verabredung.«
»Mit einer rothaarigen Frau«, sagte Hasels und kniff die Augen zusammen, sodass sie noch gefährlicher aussahen.
Veritatis konnte nicht anders. Er nickte.
»Und einem Mann.«
Veritatis nickte wieder.
Hasels ' Halsschlagadern schwollen an. Er presste seine Kiefer zusammen, als ob er sich davon abhalten wollte, Veritatis anzubrüllen. Wahrscheinlich war es so.
Hasels wanderte hinter dem Schreibtisch hin und her und sah dann wieder Veritatis an. »Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass die beiden gefährlich sind? Erst gestern Abend habe ich sie aus den Klauen der beiden gerissen. Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass Sie sich von den beiden fernhalten sollen? Habe ich Ihnen nicht Alexej zur Sicherheit an die Seite gestellt?«
Hasels' Stimme war laut. Tanja war hoffentlich schon nach Hause gegangen. Sie kam früh und ging früh. Vermutlich hatte sie gerade so lange gewartet, bis sie ihn in seinem Büro gehört hatte.
»Ich habe mir diese Begegnung nicht ausgesucht«, versuchte Veritatis eine Verteidigung. »Und Ihr Russe hat sich auch hereinlegen lassen.«
Diese Bemerkung war nicht gut. Hasels' Schlagadern schwollen noch mehr an als vorher. Es brauchte zwei Gänge hin und her, bis er wieder sprach. »Alexej ist meine Sache. Er
Weitere Kostenlose Bücher