Zehntausend Fallen (German Edition)
vorbei.
»Ich muss mal«, sagte Veritatis.
»Bitte, tun Sie, was Sie müssen. Ich will Sie nicht bei Ihren natürlichen Bedürfnissen behindern.«
Veritatis wollte hineingehen, aber Hasels hielt ihm die offene Hand hin. »Unterlagen benötigen Sie sicher keine dabei. Die halte ich so lange für Sie.«
Veritatis gab ihm die Mappe mit den Blättern. Was sollte er sonst auch machen? Er konnte nur hoffen, dass Hasels nicht wirklich verstand, worum es ging, wenn er darin blätterte. Hasels würde es mit Sicherheit tun, also musste er sich beeilen.
Veritatis ging in die Kabine und setzte sich auf den geschlossenen Toilettendeckel. Ihm war ja so übel.
Zum Kotzen blieb keine Zeit. Veritatis kramte den Zettel aus seiner Tasche, nahm sein Handy, tippte »Copy« und sandte die sms an die angegebene Nummer. Zur Sicherheit leerte er noch den Gesendet-Ordner. Sein Hals war staubtrocken.
Als Nächstes versuchte er, sich die Adresse einzuprägen. Er konnte unmöglich vor Hasels ' Augen den Zettel aus der Tasche ziehen und die Adresse auf den Umschlag mit dem Angebot schreiben.
Flexipharma, Brunsbütteler Damm. Das war ganz im Westen von Berlin. Flexipharma hatte er noch nie gehört, dabei glaubte er, sich in dieser Szene gut auszukennen, aber Berlin war groß , und Firmen kamen und gingen. Letztlich war es auch egal.
Veritatis riss den Zettel in kleine Stücke und spülte ihn die Toilette hinunter.
»Alles gut?«, fragte Hasels mit einem seltsamen Klang in der Stimme.
Veritatis sagte nichts. Er nahm die Mappe wieder an sich und ging weiter. Ob Hasels darin geblättert hatte, war nicht zu erkennen.
Im Kopierraum legte Veritatis Blatt für Blatt auf, nahm die Kopien und steckte sie sofort in den Umschlag. Hasels lehnte an einem Farblaserdrucker und sah, wie immer, zu.
Nachdem der Umschlag zugeklebt war und die Adresse draufstand, machte sich eine gewisse Erleichterung breit. Etwa fünf Sekunden lang. Dann hielt Hasels ihm seine Hand hin.
»Ich trage das für Sie.«
»Das ist nicht nötig, ich ...«
Hasels ' Blick ließ Veritatis vergessen, was er sagen wollte. Er hielt ihm den Umschlag hin.
»Die Mappe mit den Originalen trage ich auch«, sagte Hasels.
Veritatis reichte ihm die Mappe mit den Originalen.
Hasels lächelte. »Geht doch.«
Hasels' Lächeln verschwand schneller, als es gekommen war. Plötzlich sah er ihn an, als wollte er ihn hypnotisieren. Dabei hielt Hasels seinen Zeigefinger über seine Lippen. Veritatis sollte schweigen.
Ohne den Blick auch nur einen Wimpernschlag von Veritatis' Augen zu nehm en, griff Hasels in die Jackettasche des Professors und zog dessen Handy heraus. Eine blitzschnelle Bewegung, und Hasels hielt den Akku in der Hand.
»Was soll das?«, protestierte Veritatis.
»Die Fragen stelle ich. Sie können froh sein, dass Sie noch Gelegenheit zum Antworten haben.« Hasels sah auf den Umschlag und las laut die Adresse vor. »Flexipharma, Brunsbütteler Damm. Das wollte ich wissen.« Hasels wählte auf seinem Handy eine Nummer. »Boris. Flexipharma, Brunsbütteler Damm. Du wirst sofort dorthin fahren und dir diese Flexipharma ansehen, wenn es die überhaupt gibt. Checke das Umfeld und such dir einen Platz, von dem du unbemerkt alles beobachten kannst, was da abgeht. Unbemerkt , ist das klar?«
Hasels steckte das Handy wieder weg. »Und nun zu uns, Herr Professor. Ihre Freunde haben Alexej manipuliert, ihm eine gefälschte sms geschickt und Ihnen auch.«
»Das sind nicht meine Freunde.«
Hasels ignorierte den Einwand. »Sie wollten sie mit Informationen versorgen. Das reicht. Ich traue den beiden zu, dass sie alles über Ihr Handy mithören. Deshalb werde ich es bis ins Letzte auseinandernehmen und alles herausfinden, was damit gemacht wurde.«
Veritatis fühlte sich ertappt, und er wusste, dass Hasels ihm das ansehen konnte. Er wusste auch, dass Hasels die sms finden würde. Gelöscht hieß noch lange nicht, dass man sie nicht rekonstruieren konnte, wenn man sich Mühe gab. Und Hasels würde sich Mühe geben, das war Veritatis klar. Ihm wurde übel. Er wünschte sich nach Hause.
»Das wird ein langer Abend werden. Sie werden mir Wort für Wort für Wort erzählen, was die beiden mit Ihnen gesprochen haben, und wehe Ihnen, Sie lassen nur ein Satzzeichen aus. Aber vorher werden wir noch einen kleinen Schlussstrich ziehen.«
Hajo sah zufrieden aus. Der Empfang war gut , und sie konnten jedes Wort verstehen. In den wenigen Minuten, die sie zu spät in ihrer Wohnung angekommen
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