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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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Probleme so wichtig sind, dass wir unseren Plan aussetzen?«
    Ellen drehte sich um und lehnte sich mit ihrem Gesäß gegen die Fensterbank, was Hajo mit einem kurzen Luftanhalten beobachtete.
    »In Annikas Haus hat es gebrannt. Alle Mieter mussten raus und stehen jetzt auf der Straße. Ann ika weiß nicht mehr, wo sie hinsoll.«
    »Du willst sie doch wohl nicht etwa hierhin holen?«
    Ellen dachte an die Fallen im Eingangsbereich und an die Sprengstoffkisten, auf denen sie selbst schlief. Das war keine Wohnung für eine Familie.
    »Ich glaube kaum, dass sie sich hier wohlfühlen würden.«
    Hajo wirkte erleichtert. »Dann sollten sie in ein Hotel gehen, aber da müssen wir uns ja nicht drum kümmern.«
    »Glaubst du ernsthaft, dass eine mittellose Mutter mit zwei kleinen Kindern die Gäste sind, auf die ein Hotel wartet? Außerdem wäre das viel zu teuer.«
    Selbst die drei Meter zum geöffneten Fenster schienen Hajo nicht zu behagen. Er setzte sich in einen Sessel, der noch einen Meter weiter entfernt stand.
    »Das mit dem Geld könnte man womöglich regeln.«
    »Sie müssen raus aus Berlin«, sagte Ellen entschieden. »Diese Stadt ist kein Ort mehr für Kinder, wenigstens, bis die Krawalle vorbei sind. Ich habe auch schon eine Idee. Ich brauche dein Taxi.«
    »So, du brauchst mein Taxi. Dann habe ich wohl ein Anrecht darauf, deine Idee zu erfahren.«
    Ellen seufzte. Ihre Idee würde Hajo nicht gefallen, aber da musste sie durch. »Ich kenne jemanden draußen auf dem Land in der Nähe von Neu-Ruppin. Das wäre ein guter Ort für Annika und die Kinder.«
    »Du meinst doch nicht etwa den Bauernhof von Danuta Schuster?« Hajo schüttelte den Kopf. »Die hält dich für einen gesuchten Verbrecher.«
    »Danuta ist ein guter Mensch. Ich habe ihrem Mann das Leben gerettet und ihren beiden Kindern auch. Selbst wenn sie mich nicht mag, wird sie kaum Annika und die Kinder wieder wegschicken.«
    Hajo stand auf und ging umher. Er nahm den Nussknacker, mit dem Ellen das Handy zerstört hatte, und spielte damit herum. »Das gefällt mir alles nicht. Wir müssen mit dem Taxi aus Berlin raus, fremde Leute werden uns sehen, lauter Unsicherheitsfaktoren. Das bedeutet unnötige Gefahr, das können wir uns nicht leisten.«
    »Du hast dich noch nie um einen Menschen gekümmert, nicht wahr? Du hast immer nur an dich gedacht, nie an jemand anderes. Wenn du es nicht willst, dann mache ich es alleine.«
    Hajo sah den Nussknacker an, als gäbe es daran etwas Besonderes zu entdecken. Ellen ließ ihm die Zeit zum Nachdenken.
    Niemand konnte von jetzt auf gleich über seinen Schatten springen.
    Hajo legte den Nussknacker an seinen Platz zurück. »Ich komme mit. Ich kann d ich nicht alleinlassen – das wäre ja noch gefährlicher.«
    Ellen lächelte innerlich. Wenn Hajo dieses Argument für sich brauchte – bitte schön. Es tat ihr nicht weh.

31
    »Gute Reise, Meister. Gute Reise, Gebieterin.«
    Ellen musste jedes Mal grinsen, wenn die Wohnungstür sie so verabschiedete und damit signalisierte, dass die Überwachungssysteme scharfgeschaltet waren. Hajo hatte doch einen Spleen. Immerhin war sie »Gebieterin«. Dass Hajo der »Meister« war, machte sie nicht eifersüchtig.
    Hajo sah allerdings wenig meisterlich aus. Er hatte eine Perücke aufgezogen, bei der die Haare nach hinten gekämmt waren und in einen kurzen Pferdeschwanz mündeten. Dazu trug er Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit einem weißen, frech grinsenden Computerchip und einer Sprechblase 1+1=10. Unter dem Arm klemmte eine schmale Mappe, die einen kleinen Laptop enthielt. Hajo brauchte immer einen Computer in seiner Nähe, sonst fühlte er sich nicht wohl. Sie selbst hatte das leichte Sommerkleid angezogen, in dem sie Annika beim ersten Mal begegnet war. Annika sollte sie erkennen. Für Überraschungen und langwierige Erklärungen hatten sie keine Zeit.
    Die Fahrt bis zum Ku'd amm war nicht weit, aber Ellen hatte selten so viele Polizeiwagen gesehen. Es war, als hätten sie auch die letzten Einsatzfahrzeuge aus den Depots geholt. Der Klang von Martinshörnern war allgegenwärtig. Mit der Dämmerung begannen wieder die Krawalle und Zündeleien. Einige schienen nicht mal so lange gewartet zu haben, ein Einsatzzug der Feuerwehr kam dem Taxi entgegen.
    Auf dem Kurfürstendamm gab es keine Randale, was an der hohen Polizeipräsenz lag. Die markanten Stellen der Stadt, die auch für Touristen interessant waren, wurden besonde rs geschützt, was natürlich zulasten der anderen Viertel

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