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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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ging. So war das nun mal in einer Großstadt, die vor der Welt ihr Gesicht wahren musste. Ellen kannte diese Philosophie noch aus ihrer Dienstzeit im lka , allerdings war die Polizeipräsenz heute besonders ausgeprägt.
     
    Sie kamen ungehindert voran. Niemand interessierte sich für ein harmlos daherfahrendes Taxi. Die Taxi-Tarnung bot mehr Vorteile, als Ellen anfangs gedacht hatte. Taxis konnten sich mehr erlauben als gewöhnliche Privatfahrzeuge und wurden trotzdem weniger beachtet. Sie gehörten einfach zur Stadt dazu wie das Inventar zu einer Wohnung.
    Hajo begann an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und fuhr Richtung Grunewald.
    »Da sind sie, vor dem Starbucks«, sagte Ellen.
    Dort ging eine Frau, in Statur und Größe wie Ellen, mit jeweils einem Kind an der Hand. Die beiden reichten der Frau bis zur Taille, Grundschulkinder. Jeder der drei hatte einen Rucksack auf dem Rücken. Es hätte ein harmonisches Bild sein können, aber um diese Uhrzeit wirkte die kleine Gruppe irgendwie verloren.
    Hajo fuhr dicht an den Bordstein und hielt an.
    Ellen stieg aus, wartete nur so lange, bis Annika sie erkannt hatte, und sagte: »Steigt ein.«
    Hajo fuhr sofort weiter.
    Ellen versuchte festzustellen, ob sich jemand so verhielt, als hätte er sie erkannt. Nichts. Dass irgendjemand hinter einer Überwachungskamera aufmerksam wurde, wenn ein Taxi hielt und Leute einlud, war auch nicht zu vermuten. Noch ein Taxi-Vorteil. Sie waren sicher.
     
    Der Hof der Schusters war dunkel. Der letzte Rest der Dämmerung ließ gerade die Trümmer der abgebrannten Scheune erkennen. Sie wegzuräumen kostete Geld, und das war hier Mangelware. Nur hinter einem Fenster im Wohnhaus war es hell, das flackernde Licht eines Fernsehers.
    Ellen klopfte ans Fenster. Erst tat sich nichts. Beim dritten Mal erschien der Schatten einer Frau. Das musste Danuta sein. Sie öffnete das Fenster.
    »Du?«, fragte Danuta, als sie Ellen erkannte. Dann sah sie die anderen. »Was wollt ihr?« Danutas Stimme klang nicht freundlich, was Ellen verstehen konnte.
    »Ich wollte nicht klingeln, um deine Kinder nicht zu wecken«, sagte Ellen. Sie zeigte auf ihre Begleitung. »Das ist Annika, meine Schwester, und das sind ihre Kinder, Hanna und Elias.« Etwas abseits stand Hajo. »Und das ist ... ein Freund, der uns gefahren hat.«
    Danuta sah nacheinander die Leute an, sagte aber nichts.
    »Wir brauchen Hilfe.«
    »Ich kann niemandem helfen«, sagte Danuta und wollte das Fenster wieder schließen.
    Ellen trat dicht ans Fenster heran. »Warte bitte. Hör uns wenigstens an. Wenn du dann nicht willst, werden wir wieder gehen.«
    Danuta zögerte. Sie wirkte müde. »Na gut«, sagte sie wie jemand, der keine Kraft mehr hat, einem anderen Widerstand zu leisten.
    Wenig später ging im Hausflur Licht an, dann öffnete Danuta die Haustür. »Du wirst sehen, dass ich dir nicht helfen kann.«
    Erst im Licht des Hausflurs konnte Ellen Danuta richtig erkennen – und erschrak. Das eigentlich hübsche Gesicht wirkte um Jahre gealtert, die Augen gerötet, als ob Danuta in der letzten Zeit viel geweint hätte.
    »Was ist los?«, fragte Ellen. »Ist etwas mit Andreas? Wie geht es ihm?«
    »Andreas? Ach ja, Andreas. Dem geht's gut, den Umständen entsprechend. Er liegt jetzt auf einer normalen Station, er kann sich noch nicht richtig erinnern, das Sprechen fällt ihm schwer, aber die Ärzte sagen, er wird wieder gesund.« Danuta sah Ellen an. »Du hast ihm tatsächlich das Leben gerettet.«
    Das war eigentlich eine gute Nachricht, aber aus Danutas Mund klang sie nicht so.
    Danuta drehte sich um und ging ins Wohnzimmer. Es schien ihr egal zu sein, ob die anderen ihr folgten. Danuta setzte sich auf einen Stuhl, Annika und die Kinder teilten sich die Couch, und Ellen setzte sich in den einzigen Sessel. Hajo blieb in der Nähe der Tür stehen.
    Danuta stellte den Ton des Fernsehers ab, das Bild ließ sie laufen. »Was wollt ihr?«
    »Annika und die Kinder haben kein Zuhause mehr, ihre Wohnung ist abgebrannt. Das da ist alles, was sie haben.« Ellen deutete auf die drei Rucksäcke, die jetzt zusammen in einer Ecke lagen. »Sie wissen nicht, wo sie hinsollen. Ich habe auch keine Möglichkeit, und da habe ich gedacht, ob sie vielleicht eine Zeit bei dir unterkommen können.«
    Danutas Gesicht nahm einen bitteren Ausdruck an. »Wir haben selbst kein Zuhause mehr. Das sind unsere letzten zwei Wochen hier, am Monatsende müssen wir raus. Ich sage doch, ich kann nicht helfen.«
    Ellen war

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