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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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den Stick in ihrer Hand. Was mochte da drauf sein?
    »Gib ihn mir«, sagte Hajo fordernd und streckte seine Hand aus.
    Ellen zögerte.
    »Wo ist Ihr Sohn jetzt?«, fragte sie, obwohl sie kaum Hoffnung auf Antwort hatte.
    »Das hat doch keinen Zweck«, sagte Hajo. »Gib mir den Stick!« Seine Augen blickten so gierig darauf wie die Augen eines Junkies auf einen dringend benötigten Joint.
    Da hob die Frau im Nachbarrollstuhl die Hand. Es war wie in Zeitlupe.
    »Sohn«, sagte sie und zeigte auf einen Weg, der um das Haus herum führte.
    Ellen schaltete sofort. »Pasano ist da langgegangen. Vielleicht kriegen wir ihn noch.« Sie drückte Hajo den Stick in die Hand und spurtete los. Sie wartete nicht auf Hajo, denn er würde niemals mit ihr mithalten können. Dafür konnte er mehr mit dem Stick anfangen als sie.
    Der Weg führte auf eine belebte Straße. Ellen lief ein Stück in die eine Richtung. Hier ging niemand, der so aussah wie Pasano. Sie wechselte die Straßenseite, um einen besseren Überblick zu bekommen. Auch nichts. Es machte keinen Sinn, weiterzulaufen. Pasano konnte genauso gut in die andere Richtung gegangen sein. Beide Richtungen konnte sie allein und zu Fuß nicht abdecken.
    Ellen lief zum Taxi zurück, das auf dem Parkplatz des Seniorenheims stand. Sie stutzte. Hajo saß auf dem Beifahrersitz. Das hatte er noch nie getan.
    Als Ellen nah genug dran war, um durchs Fenster zu sehen, verstand sie. Hajo hatte seinen Laptop auf dem Schoß und bearbeitete die Tastatur. In der Seite steckte der usb -Stick.
    Ellen rannte um das Taxi und setzte sich auf den Fahrersitz. Der Schlüssel steckte.
    »Pasano kann noch nicht weit sein«, sagte Ellen, während sie den Motor anließ und aus der Parklücke fuhr. Hajo parkte gewohnheitsmäßig so ein, dass man beim Start nicht zurücksetzen musste, sondern sofort losfahren konnte. Im Ernstfall kann das der entscheidende Zeitfaktor sein, meinte er.
    Vielleicht ist er das auch jetzt, dachte Ellen.
    Er war es nicht. Sie fuhr etwa einen Kilometer die Straße entlang, ohne jemanden zu sehen, der Pasano auch nur entfernt ähnelte. Sie wendete und fuhr zwei Kilometer in die andere Richtung. Nichts. Damit waren die einfachen Möglichkeiten ausgeschöpft. Wenn Pasano einen Bus oder ein Taxi genommen hatte, war alles vorbei, aber das wollte Ellen nicht denken. Wenn er irgendwo eingekehrt war, wurde es auch schwierig, aber darum konnten sie sich später kümmern. Vielleicht war er nur in eine Seitenstraße abgebogen. Die Chance, ihn dann zu finden, war klein, aber sie existierte. Ellen begann, systematisch die Seitenstraßen abzufahren.
    »Du könntest mir helfen«, sagte sie zu Hajo. »Es ist kaum möglich, auf den Verkehr und die Fußgänger auf den Bürgersteigen zu achten.«
    Hajo reagierte nicht.
    Ellen bremste scharf ab. »He! Ich brauche Hilfe.«
    Nichts.
    Hajos Finger rasten so schnell über die Tastatur, dass Ellen keine einzelnen Bewegungen mehr ausmachen konnte. Sie hätte nie für möglich gehalten, dass ein Mensch so schnell tippen konnte.
    Ellen stieß Hajo mit dem Ellenbogen an. »Wenn wir Pasano finden wollen, musst du mitmachen.«
    Immer noch keine Reaktion. Es war, als wäre Hajo in eine andere Welt abgetaucht. Sein Körper saß noch neben Ellen, aber sein Geist war offensichtlich nicht mehr da. Ellen konnte sich auch nicht vorstellen, dass Hajo etwas von dem wahrnahm, was da vor ihm auf dem Monitor passierte. Fenster öffneten und schlossen sich so schnell, dass sie nur einzelne Stichworte lesen konnte, aber nicht einen ganzen Satz. Die Zahlenkolonnen, die über den Bildschirm rasten, waren zum Lesen gänzlich ungeeignet. Das waren bestimmt nicht die Informationen, die auf dem Stick waren. Aber was war es dann?
    Ellen war nahe daran, den Bildschirm einfach zuzuklappen, um Hajos Aufmerksamkeit zu gewinnen, aber sie verzichtete darauf. Hajo tat sicher nichts Überflüssiges. Hoffentlich.
    Ellen fuhr weiter. Sie musste diesen Part eben allein schaffen. Die Zeit drängte. Mit jeder Minute und mit jedem gefahrenen Kilometer wurde ihre ohnehin kleine Chance, Pasano zu finden, noch geringer.
    Nach einer halben Stunde gab Ellen auf. Pasano jetzt noch durch Herumfahren zu finden, war reines Glücksspiel. Er konnte wer weiß wo stecken. Ellen hielt vor dem Seniorenheim, ihrem Ausgangspunkt und Zentrum der Suche. Hajo tippte immer noch, aber etwas langsamer.
    »Wir haben Pasano verpasst«, sagte Ellen. »So finden wir ihn nicht. Wir brauchen einen neuen Ansatzpunkt.«
    Hajo

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