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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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hoch. »Das ist eben der Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Wissenschaftler.«
    »Wie würde es denn ein exzellenter Wissenschaftler machen?«, fragte Ellen. Sie hatte Hoffnung, einen Hinweis zu erhalten, wie man den Schaden vielleicht wieder rückgängig machen könnte.
    »Ein exzellenter Wissenschaftler ... ja, so hat man mich mal genannt. Das ist lange her. Ein exzellenter Wissenschaftler denkt weiter als alle anderen. Wussten Sie, dass viele Wissenschaftler nur wenige Prozent des Genoms für wertvoll halten? Alles andere soll Junk- dna sein, also Müll. Wenn die wüssten. Diese Junk- dna ist ein riesiges Reservoir an Informationen. Hier können Sie alles finden und alles verstecken. Vieles wird nur zu bestimmten Zeiten oder unter bestimmten Umständen aktiviert. Sie können biologische Zeitschalter an Ihrem eigenen Körper beobachten.«
    Pasano sah auf Ellens Brust. »Als junges Mädchen hatten Sie noch keine Brust.« Er zeigte auf Hajos Kinn. »Und Sie noch keinen Bartwuchs. Alle diese Informationen waren komplett vorhanden, aber sie waren nicht aktiv – bis die Zeit reif war.«
    »So haben Sie die Tests überwunden«, vermutete Hajo. »Sie haben das Schadprogramm einfach irgendwo geparkt, bis die kritische Zeit vorbei war.«
    »Das war nicht ganz einfach«, erzählte Pasano weiter. »Ich musste schließlich den Mastercode manipulieren. Sonst wäre der Effekt zu klein gewesen. Der Mastercode ist quasi die Kopiervorlage für das meiste, was Saatogo und Progentus machen. Es sind zwar unterschiedliche Firmen, aber die Mechanismen sind gleich. Jetzt haben beide in ihrem heiligsten Informationsschatz ein Andenken an mich.«
    »Sie werden es finden und löschen«, sagte Ellen.
    Pasano lachte heiser. »Diese Halbgebildeten? Die können suchen, bis sie schimmelig sind. Stellen Sie sich das Bild eines Dschungels vor, so groß wie diese Kirche. Mein Programm ist kleiner als ein Fliegendreck auf diesem Bild.« Pasano deutete auf Hajos Laptop. »Und Sie können beim dna -Code kein Anti-Viren-Programm drüberlaufen lassen wie bei Ihrem Rechner. Sie müssen schon selbst suchen, Zeile für Zeile. Bis die den Fehler gefunden haben, sind Saatogo und Progentus ruiniert.«
    »Nicht nur diese beiden Firmen«, sagte Ellen. »Unzählige unschuldige Menschen auch. Sie haben eine riesige Katastrophe heraufbeschworen.«
    »Welche unzählige Menschen?«, fragte Pasano.
    »Die Bauern, auf deren Feldern nichts wächst, die Menschen, die sich die horrenden Lebensmittelpreise nicht mehr leisten können oder die unter dem Aufruhr leiden, der in Berlin herrscht und anderswo auch.«
    »Welcher Aufruhr? Wovon sprechen Sie?«
    Ellen sah Pasano ungläubig an. Wusste der wirklich nichts , oder tat er für einen intelligenten Wissenschaftler sehr naiv? Er wirkte nicht wie ein abgebrühter Schauspieler.
    »Haben Sie nichts von all dem mitbekommen, dem Chaos in Berlin, den gewalttätigen Protesten, den Ausschreitungen? Die Nachrichten sind voll davon, und Sie wohnen doch selbst in dieser Stadt.«
    »Ich wohne in der Siedlung Lohmühle. Wir haben keinen Strom für Fernsehen und so was, und unterwegs war ich in den letzten Wochen auch nicht. Ich habe keine Lust mehr auf Menschen, müssen Sie wissen.« Pasano straffte sich. »Und jetzt wäre ich froh, wenn Sie mich alleine lassen würden. Ich bin hierhergekommen, um Ruhe zu finden.«
    Pasano schloss demonstrativ die Augen und legte die Hände wie zur Meditation in den Schoß.
    »Nein!«, sagte Ellen scharf. Es hallte durch die ganze Kirche und kam mehrfach reflektiert wieder zurück. »Wegen dem, was Sie getan haben, bringen sich Menschen um. Autos, Geschäfte und Häuser werden zerstört. Eltern haben Angst um ihre Kinder. So einfach können Sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen.«
    Ellen meinte, ein Geräusch aus dem hinteren Bereich der Kirche zu hören. Sie drehte sich um, konnte aber nichts feststellen. Dort war das Licht dämmrig, und um Genaueres zu sehen, hätte sie hingehen müssen. Dafür war jetzt keine Zeit.
    Pasano öffnete die Augen wieder. Ganz langsam drehte er seinen Kopf zu Ellen. »Sie wollen mich einschüchtern. Deshalb sagen Sie das so.«
    Ellen sah ihm geradewegs in die Augen. »Es ist schlimmer, als ich beschrieben habe. Viel schlimmer.«
    Pasano blickte fragend zu Hajo. Hajo nickte stumm.
    Pasano sah zu dem Kirchenfenster, aber es war, als gingen seine Blicke durch die bunten Scheiben hindurch. In seinem Gesicht ging eine Veränderung vor. Bis jetzt

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