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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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reagierte immer noch nicht. Dieses Mal stieß Ellen ihn richtig heftig an. Das musste wehgetan haben.
    »Was ist so wichtig, dass du nicht nach Pasano suchst, wo wir so nah an ihm dran sind?« Ellen wartete zwei Atemzüge lang. »Wenn du nicht antwortest, werfe ich dich aus deinem eigenen Auto.«
    Hajo hörte tatsächlich auf. Er sah Ellen an wie in Trance, dann sah er rechts und links aus dem Fenster. »Versuch es in der Kirche da.« Er zeigte auf einen nahe gelegenen Kirchturm.
    Ellen starrte Hajo entgeistert an. Was sollte das jetzt? Wusste Hajo etwas, das sie nicht wusste? Sie wollte fragen, aber Hajo war schon wieder mit seinem Rechner verschmolzen. Eine Diskussion zu erzwingen, würde Zeit kosten, und davon war schon zu viel verstrichen.
    Ellen fuhr los. Sie hatte keine Ahnung, wie Hajo auf die Kirche kam, aber grundlos war es wahrscheinlich nicht – und selbst eine vage Idee war besser als gar keine Idee. Allerdings, diese Art der Zusammenarbeit war nicht das, was Ellen sich vorstellte. Hier müsste sich einiges ändern – wenn das in Zukunft überhaupt nötig war. Sie näherten sich ihrem Ziel, und dann ...
     
    Den Mercedes mit den abgedunkelten Scheiben bemerkte Ellen nicht. Er folgte in zu großem Abstand.

37
    Ein freier Parkplatz in Berlin, genau da, wo man ihn brauchte, konnte als kleines Wunder gelten. Fast hätte der Fahrer eines schmutziggrauen Vectra dieses Wunder vereitelt, aber Ellen brachte mehr Schwung mit. Dafür kam das Taxi erst mit einem heftigen Ruck am Bordstein zum Stehen, und rückwärts eingeparkt war es auch nicht.
    Ellen war überrascht, dass Hajo seinen Laptop zuklappte und ausstieg. Er wollte offensichtlich auch in die Kirche. Vielleicht wurde er jetzt wieder normal.
    Bis zum Portal waren es nur wenige Schritte, Hajo war fast schon da, den Laptop unter seinen Arm geklemmt. Den Stick hatte er wieder entfernt.
    »Wie kommst du darauf, dass wir hier suchen sollen?«, fragte Ellen auf dem letzten Meter.
    »Auf dem Stick war so eine Art Abschiedsbrief«, sagte Hajo, während er die Tür öffnete. »Da dachte ich mir, wer Abschied nimmt, geht vielleicht noch mal in die Kirche.«
    Ellen war wie von Donner gerührt. »Und das sagst du erst jetzt ? Nachdem ich eine Ewigkeit vergeblich in der Gegend herumgefahren bin?« Ellen hatte Mühe, leise zu reden. Sie waren schon im Vorraum zum Kirchenschiff, und hier konnte sie nicht mehr so reden, wie sie es am liebsten getan hätte.
    »Es ist mir nicht eher eingefallen«, sagte Hajo.
    Ellen verkniff sich eine entsprechende Bemerkung. Keine Zeit. »Was heißt ›Abschiedsbrief‹? Dass er sich umbringen will?«
    »Klingt ungefähr so«, bestätigte Hajo.
    Bloß nicht!, dachte Ellen. Immer waren ihr alle Beweise im letzten Moment abhandengekommen. Sollte jetzt auch noch Pasano ...? Sie durften keine Zeit verlieren. Ellen drückte die Tür zum Kirchenschiff auf und sah hinein. Es war leer – bis auf eine zusammengesunkene Gestalt in der ersten Bank.
    War das Pasano? Von hinten konnte Ellen nicht genug erkennen. So schnell, aber auch so leise sie konnte, ging sie durch den Mittelgang nach vorne.
    In der Kirche herrschte eine Ruhe, wie man sie sonst in Berlin nicht fand. Die dicken Mauern hielten die Hintergrundgeräusche und den Verkehrslärm draußen, es war fast, als verließe man die Stadt und beträte eine andere Welt. Ellen hatte den Eindruck, dass jeder ihrer Schritte, ja sogar ihr Atem in der ganzen Kirche zu hören wäre, aber die Gestalt rührte sich nicht.
    Ellen erreichte die Höhe der vordersten Bank und atmete erleichtert auf. Pasano lebte. Wäre er tot, wär e er in dieser Haltung vornübergefallen. Dass es Pasano war, bezweifelte Ellen nicht mehr. Verglichen mit den Fotos, die sie aus dem Internet heruntergeladen hatte, wirkte dieser Mann alt und ausgebrannt, aber er war eindeutig das hochgelobte Wissenschaftlergenie.
    »Romano Pasano?«, fragte Ellen.
    Pasano ruckte hoch und sah Ellen erschrocken an. Er sagte nichts.
    Ellen setzte sich neben ihn. In Pasanos Augen stand Angst. Ellen war bereit, sofort einzugreifen, falls Pasano sich etwas antun wollte oder wenn er versuchen würde zu fliehen.
    »Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagte Ellen beruhigend und legte ihre Hand auf Pasanos Oberschenkel. »Wir tun Ihnen nichts.«
    Tatsächlich verschwand der ängstliche Ausdruck. Über Pasanos Gesicht huschte die Andeutung eines müden Lächelns.
    Das ging zu schnell, fand Ellen. Dass Pasano sich so schnell entspannte, konnte nicht an

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