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Zehnundeine Nacht

Zehnundeine Nacht

Titel: Zehnundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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hießen nur anders. Wer Geld verdienen wollte, musste schon immer Werbung machen. Also hatte er eine Bildertafel in Auftrag gegeben, mit genauer Bestellung, was auf deren einzelnen Feldern zu sehen sein sollte. Zuerst die Lebensgeschichte des heiligen Gregorius, mit allen seinen bekannten Wundertaten und noch ein paar neu erfundenen dazu, dann sein Märtyrertod und zuletzt der Schafhirte mit dem Engel.»
    «Märtyrertod ...», sagte der König nachdenklich, dennsolche Sachen interessierten ihn quasi von Berufs wegen. «Wie haben sie ihn denn umgebracht?»
    «Irgendwie.» Die Prinzessin fasste sich an die Rippen, dort wo direkt unter ihrer linken Brust immer noch einzelne Blutstropfen aus der Schnittwunde quollen. «Mit Speeren durchbohrt, von mir aus.»
    «Das ist langweilig», sagte der König.
    «Oder den Löwen vorgeworfen.»
    «Und wo haben sie Löwen hergenommen? Auf dem Land in Italien?»
    «Dann sagen wir halt: Sie haben ihn auf einer Bank festgebunden, ihm die Fußsohlen mit Salz eingerieben und ein Schaf solang daran lecken lassen, bis er sich totgelacht hatte.»
    «Das gefällt mir», sagte der König und lachte hustend. «Weshalb er auch der Schutzpatron aller Schafhirten war.»
    «Keine sehr zahlungskräftige Kundschaft.»
    «Und aller Trauernden, die das Lachen verlernt haben.»
    «Das ist besser», sagte der König. «Solche gibt es immer genug.»
    «Der Kaufmann versuchte dem neuen Besitzer die Gebeine abzukaufen und bot auch gutes Geld dafür. Aber ungeschickterweise ließ er sich anmerken, wie sehr er an dem Geschäft interessiert war ... »
    «Dilettant», sagte der König verächtlich.
    «... und so verlangte der andere eine Summe, die jenseits von Gut und Böse war, oder doch weit jenseits von dem, was der Kaufmann in die Gebeine hatte investieren wollen. Doch weil ein unvollständiges Monopol keins mehr ist ...»
    «Sehr richtig», sagte der König.
    «... musste er schließlich den geforderten Preis bezahlen, und sich dafür, obwohl er doch ein wohlhabender Mann war, bei den lombardischen Geldverleihern hoch verschulden.»
    «So was kommt vor», sagte der König und nickte einer Erinnerung nach. «Wie viel Zinsen haben sie denn im Monat verlangt?»
    «Ist das wichtig?», fragte die Prinzessin.
    «Ich habe die Sachen gern ordentlich.»
    «Vierzehn Prozent», sagte die Prinzessin. Sie wusste, dass der König in der Regel fünfzehn nahm.
    «Da ist er ja noch gut weggekommen.»
    «Das dachte der Kaufmann auch. Er hätte auch sechzehn Prozent bezahlt, oder, wenn nicht anders machbar, sogar achtzehn. Das Monopol auf dem Reliquienmarkt war ihm das wert. Jetzt konnte er seinen Kunden nicht nur den Schädel vom heiligen Archibald liefern, die Hand vom heiligen Balthasar, oder das Wadenbein vom heiligen Chromatius ... »
    «Vorher hast du einen anderen Namen gesagt», unterbrach sie der König.
    «Für die Geschichte ist das nicht wichtig.»
    «Trotzdem», sagte der König drohend. «Ich kann es nicht leiden, wenn man mich bescheißt.»
    Draußen fuhr schon wieder ein Polizeiauto vorbei.
    «Das Wadenbein vom heiligen Irgendwas. Chromatius. Cervatius. Chrysotomus.»
    «Das war’s», sagte der König befriedigt.
    «Du passt gut auf», sagte die Prinzessin.
    «Das muss man», sagte der König.
    «Der Kaufmann hatte jetzt in seinem Katalog einen kompletten heiligen Gregorius zu bieten, und weil er sich vorgenommen hatte, damit besonders viel Geld zu verdienen, erzählte er überall herum, er denke gar nicht daran, die kostbaren Gebeine zu verkaufen. Er wolle sie lieber selber behalten, in der schweren Kiste verschlossen, und sie nur manchmal in der Abgeschiedenheit seines eigenen Hauses hervorholen und ganz allein anbeten.»
    «War er denn fromm?», fragte der König.
    «Nein», sagte die Prinzessin. «Er war schlau. Er schrieb an alle seine Kunden, er wolle auch sonst nichts mehr von seinen Schätzen hergeben, nicht einmal den Zeigefinger der heiligen Dorothea. Was natürlich zur Folge hatte ...»
    «... dass die Preise stiegen. Mein Kollege, der mit den Ecstasy-Pillen, handelt auch mit Heroin, und wenn zu viel davon auf dem Markt ist, rückt er einfach ein paar Wochen nichts heraus.»
    «Genauso machte es der Kaufmann», sagte die Prinzessin. «Weil er nun aber der Einzige mit einem nennenswerten Vorrat an anbetungswürdigen Knochen war, schossen die Preise auf dem Reliquienmarkt auf seine Ankündigung hin in die Höhe, und jeden Monat, wenn er den lombardischen Geldverleihern ihre Zinsen bezahlte,

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