Zeichen im Schnee
wegging, er hat geweint. Er wollte nicht, dass Vasily stirbt. Vielleicht Tommy glaubt, er ist auch Gottes kleiner Fehler. Ich habe ihm gesehen, wie er in Wald gegangen ist. Ich glaube, er hat Vasily geholt. Später bin ich in Hof gegangen, ich habe Fußspuren gesehen, aber ich konnte nicht an Wache vorbei. Nächste Nacht, ich bin auf Schneeberg gestiegen und habe Speicherkarte aus Kamera genommen und versteckt. Dann ich habe Olga gesagt, wir jetzt gehen. Wenn sie uns töten, ist auch egal. Ohne unsere Kinder, wir sind sowieso tot. Ich habe gewartet auf Wachmann, was ist Vater von Vasily. Ich habe gesagt, die Hillingberg hat dein Sohn getötet. Zwei Tage lang ihm ist es egal, er macht gar nichts. Dann gibt er mir Zeichen und lässt uns beide zum Tor hinaus.»
Lena stiegen wieder Tränen in die Augen.
«Wir kommen nach Anchorage vor fast zwei Monate, wir putzen in Club, manchmal wir» – sie verzog angewidert das Gesicht – «machen andere Sachen. Aber wir sind gefangen. Wir können nicht weg, weil wir haben keine Papiere. Als Vasilys Leiche gefunden war, ich hatte Angst, dass sie sagen, ich hab ihm getötet. Als die Logan gekommen ist und gefragt hat nach mir, ich habe angerufen bei dir, weil ich große Angst hatte, sie wird mich finden und töten, ehe ich Gerechtigkeit bekommen habe für meinen Vasily.»
Edie sprang vom Bett, kniete sich vor Lena hin und nahm ihre Hände.
«Dafür muss sie uns erst umbringen, Lena.»
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41
Edie wachte mit flatterndem Herzen auf. Sie betrachtete die ungewohnte Umgebung, und als sie Derek Palliser im Bett neben sich tief und fest atmen hörte, wusste sie wieder, wo sie war. Sie hatten sich im Vordergebäude ein Zimmer genommen, von dem aus sie sehen konnten, wenn ein Fahrzeug auf das Grundstück vom
Bärenmotel
einbog. Sie hatten abwechselnd Nachtwache halten wollen. Doch Edie war während ihrer Schicht so müde geworden, dass sie sich kurz aufs Bett gelegt hatte und eingeschlafen war, was den Plan leider ruiniert hatte. Sie schüttelte den Schlaf ab, und ihr wurde bewusst, dass sie vom Trinken geträumt hatte. Ein unglaubliches Verlangen überkam sie, so stark und unerbittlich wie ein Frühjahrsschneesturm. Nur eine Straße vom Motel entfernt gab es eine Bar, die rund um die Uhr geöffnet hatte. Edie hatte sie beim Herfahren ganz automatisch registriert, und sie fragte sich, ob ein trockener Alkoholiker jemals endgültig trocken war. Vorsichtig, um Derek nicht zu wecken, schlug sie die Bettdecke zurück, stand auf, trat ans Fenster und zog die Gardine gerade so weit zurück, dass sie hinaussehen konnte. Es dämmerte schon fast. Auf dem Parkplatz war es ruhig. Olga, Lena und das Baby schliefen in ihrem Zimmer bestimmt tief und fest, bewacht von Bob Truro in seinem Sessel.
Vom Bett erklang Dereks Stimme, tief brummend wie eine spätsommerliche Biene.
«Edie?» Das Nachttischlämpchen ging an. Derek stützte sich verschlafen auf die Ellenbogen. «Bin ich dran?»
«Schlaf weiter», sagte sie.
Er sah auf die Uhr. «Ich bin ausgeschlafen.»
Edie wandte sich vom Fenster ab. «Wann genau wird Sammy erwartet?»
«Das letzte Mal, als ich mit Zach telefoniert habe, war Sammy in Elim. Da sie ihn in White Mountain trotzdem die achtstündige Pflichtpause absolvieren lassen werden, wird er wohl in knapp vierundzwanzig Stunden über die Ziellinie rasen.»
«Okay. Dann haben wir also noch genau so lange Zeit.»
Derek fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. «Um was genau zu tun? Aileen Logan ist abgetaucht, und ich glaube nicht, dass sie so schnell wieder auftauchen wird.»
Edie stand auf und setzte sich auf Dereks Bettkante.
«Ich spreche von Marsha Hillingberg.»
«Was?»
Er wirkte sauer. «Edie, ich werde das Lena sicher nicht auf die Nase binden, aber diese Aufzeichnung aus der Überwachungskamera beweist überhaupt nichts.»
«Die Frau ist darauf an einem Ort zu sehen, wo Minderjährige zur Prostitution gezwungen und deren Kinder verkauft wurden.»
«Na gut, sie dürfte ein paar Probleme haben, ihre Weste wieder blütenrein zu waschen, aber Gerechtigkeit für Vasily wirst du mit dieser Aufzeichnung nicht erreichen. Wir können die Karte ja nicht mal dem APD übergeben. Mackenzie steckt selbst bis zum Hals mit drin.»
Derek war inzwischen aufgestanden. Nur mit Boxershorts bekleidet, machte er sich an dem uralten Kaffeebereiter auf dem Tisch zu schaffen. Edie überlegte, wie es wäre, ihn zurück ins Bett zu locken.
«Marsha Hillingberg ist im
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