Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeichen im Schnee

Zeichen im Schnee

Titel: Zeichen im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie McGrath
Vom Netzwerk:
bis er außer Sicht war. Als sie sich wieder dem Hauptgebäude zuwendete, stand der Alk an der Tür, aus der er herausgekommen war. Eine große, sehr schlanke Frau öffnete. Ihr Gesicht lag im Schatten, doch Edie konnte an ihrer lockeren Haltung erkennen, dass sie jung war. Der Mann und die Frau wechselten ein paar Worte, dann ging der Alk mit dem Gewehr wieder hinein und schloss die Tür hinter sich.
    Noch lange danach hockte Edie still und wachsam da.

[zur Inhaltsübersicht]
    19
    Derek Palliser hatte noch nie für Sex bezahlt, obwohl er, wie die meisten Männer, schon mal daran gedacht hatte. Als er einmal auf einem Fortbildungskurs in Yellowknife war, hatte ein Mädchen in einer Oben-ohne-Bar angeboten, ihm einen zu blasen, und er hätte sie machen lassen, wäre ihm nicht das Geld ausgegangen, um dem Mädchen ein Glas billigen Sekt zu spendieren – aber abgesehen von diesem einen Mal hatte sich ihm nie die Gelegenheit geboten. Er hatte sich den Augenblick in Yellowknife oft in Erinnerung gerufen, und inzwischen erschien er ihm irgendwie symbolisch für seine Unfähigkeit, etwas durchzuziehen, für seine allgemeine Befangenheit, seine Apathie. Tatsache war, er hätte den Blowjob geschehen lassen können. Er hätte sich Geld aus dem Bankautomaten besorgen oder seine Armbanduhr versetzen oder seinen Polizeiausweis benutzen können, um sich von dem Barbesitzer Geld zu leihen oder den Blowjob umsonst zu bekommen. Stattdessen hatte er dem Mädchen für das Angebot gedankt, seinen Drink hinuntergestürzt und die Bar so schnell verlassen, wie sein Stolz es zuließ.
    Als er jetzt durch die Straßen von Anchorage fuhr, wurde ihm bewusst, dass er all das aus demselben Grund nicht getan hatte, aus dem er so vieles in seinem Leben schleifen ließ: Weil er nicht genug Energie aufbrachte – sei es auf erotischem oder sonst einem Gebiet. Es war nicht Trägheit, die ihn zurückhielt, eher ein Mangel an Emotionen. Seine allgemeine Unzufriedenheit fand anscheinend keine Angriffsfläche. Er neigte allzu sehr dazu, sich dem Status anzupassen. Wieder und wieder übte er Zurückhaltung. Abgesehen von seiner Exfreundin Misha und seiner Lemmingforschung konnte er sich nicht erinnern, bei welcher Gelegenheit er zuletzt etwas wirklich gewollt hatte.
    Bis jetzt.
    Diese Erkenntnis traf ihn, als er aus zusammengekniffenen Augen angestrengt auf die schlecht beleuchtete Straße starrte. Es war eine eigentümliche Erleuchtung, und er würde noch gründlich darüber nachdenken müssen, doch sie war da. Was er wirklich wollte, war: Sammy Inukpuk bis zum Ende des Iditarod-Rennens beistehen. Er hatte Sammy gern, er bewunderte seinen Mut und seine Entschlossenheit, zumal nach den Schrecknissen der Ermordung seines Sohnes. Derek war auf Sammys Seite. Aber darüber hinaus war da noch etwas anderes, etwas an Sammys Ehrgeiz, das Derek für sich selbst benötigte. Etwas, das mit Ausdauer zu tun hatte.
    Er bog in die Spenard Road Richtung Flughafen ein. Ein kurzer Blick ins Branchenbuch hatte ihm verraten, wo er finden dürfte, was er suchte. Er war in einer Gegend mit Geschäften, Bars und Autowerkstätten. Weiter vorne, auf halbem Weg zum nächsten Häuserblock, schimmerte neben einem Parkplatz ein Neonschild, auf dem
Buddy’s Bar
stand. Er wollte kurz auf ein Bier reingehen und fragen. Wenn jemand wusste, wo die Puffs waren, dann Leute in einem Lokal wie
Buddy’s Bar
.
    ***
    «Arbeiten Sie am North Slope?» Der Barmann schob einen Krug Hard-Apple-Bier über den Tresen. Er war ein vierschrötiger Mann voller Tattoos, mit Bikerbart und dröhnender Stimme, einer, der es gewöhnt war, sich über den Thrash-Metal-Krach hinweg Gehör zu verschaffen. Derek schnippte sein Geldscheinbündel auf und blätterte drei Zwanziger hin.
    «Als Berater.» Derek trank einen Schluck Bier und schlug sich auf die Schenkel.
    Der Barmann nickte. «Hab noch keinen getroffen, dem Hard Apple nicht schmeckt.»
    Derek schob ihm die Zwanziger hin. Der Barmann warf einen Blick auf einen dickbäuchigen Motorradfahrer, der am anderen Ende des Tresens saß, kniff die Lippen zusammen und nahm das Geld an sich.
    «Wie kann ich Ihnen helfen?»
    Derek erklärte, wonach er suchte. Der Barmann hörte ihm zu, ohne ihn direkt anzusehen, dann zeigte er auf Derek und rief dem Dicken zu: «Hey, Zoom, der Kerl hier will ’ne Nordnutte.»
    Derek streckte seine Hand aus. Der Dicke nahm sie nicht.
    «Was suchste genau?»
    «Russin. Jung.»
    Der Dicke drehte sich ein ganz kleines bisschen um und

Weitere Kostenlose Bücher