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Zeichen im Schnee

Zeichen im Schnee

Titel: Zeichen im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie McGrath
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der Schnee abgewischt worden. Drinnen lag ein kleiner Rucksack. Sie zog den Reißverschluss auf, drehte den Rucksack um und schüttete den Inhalt in den Schnee: Damenbinden, exquisite Unterwäsche und ein etwas schrumpeliger blauer Kunststoffschnuller. Edie steckte den Schnuller ein. Als sie die Unterwäsche wieder in den Rucksack stopfte, bemerkte sie an der Innenseite eines BH s einen milchigen Fleck. Sie roch daran. Der saure, animalische Geruch von Muttermilch stieg ihr in die Nase. Ihre Beine fingen an zu zittern, und sie musste sich an der Tonne festhalten. Irgendwo in ihrem Kopf hörte sie die Stimme ihres Stiefsohns Joe, der sie mit dem Namen rief, den er immer benutzt hatte, und sich ihr aus der Geisterwelt entgegenstreckte. Sie schloss die Augen, um ihm näher zu sein. Dann atmete sie tief durch, biss sich auf die Lippe, legte die BH -Körbchen ineinander, steckte den BH in ihre Tasche und schüttelte den Rucksack ein letztes Mal, sehr heftig. Ein Klettverschluss riss auf und etwas fiel in den Schnee – eine Hello-Kitty-Handtasche aus rosafarbenem Plastik. Edie zog den Reißverschluss auf, fand ein Paket Papiertaschentücher und machte ihn wieder zu, wobei ihre Finger durch ihre Handschuhe hindurch etwas Hartes ertasteten. Unter den Papiertüchern war ein in Watte gepacktes Döschen. Es enthielt mehrere dicke Nadeln von der Art, wie sie Edie und ihre Mutter Maggie und deren Mutter und Generationen von Inuit-Frauen zum Nähen von Fellkleidung benutzten. Außer den Nadeln waren da noch ein winziges Fläschchen mit einer tiefschwarzen Flüssigkeit und ein Papierfetzen, auf den jemand das Wort шаҳта geschrieben hatte.
Meins.
    Edie hörte den Transporter des Wachmanns kommen, und mit der Wucht eines Moschusochsenangriffs wurde ihr klar, dass sie einen Alarm ausgelöst haben musste. Ihr blieb nichts anderes übrig, als zum Tor zu sausen. Wenn der Wachmann es vor ihr erreichte, würde er das Fernglas finden und mit Sicherheit das Gelände absuchen. Wo sie sich auch versteckte, der Hund würde sie wittern. Sorgsam darauf bedacht, in die Fußstapfen des Wachmanns zu treten, lief sie vorne um das Haus herum. Ihr Herz schlug wie Hagelkörner auf ein Sommerzelt. Der Transporter war jetzt nah. An einer Metalltafel neben dem Tor blinkte ein rotes Licht. Edie duckte sich und rannte, um mehr Halt zu haben, mit gebeugten Knien, wie ihr Großvater es ihr beigebracht hatte.
    Sie erreichte das Tor just in dem Augenblick, als zwischen den Bäumen der Rammbügel des Fahrzeugs sichtbar wurde. Als der Wagen sein Tempo verlangsamte, um in den Weg einzubiegen, quetschte Edie sich durch den Spalt des Tores, schnappte sich das Fernglas und rannte in den Schutz der Bäume. Sie lief in Achten, um den Schnee rings um die Abdrücke zu verwischen, und blieb erst stehen, als sie das Scheppern der sich schließenden Torflügel hörte. Ein Motor brummte, und der Wachmann erteilte seinem Hund mit barscher Stimme Befehle. Ohne abzuwarten, ob es noch etwas zu sehen gab, sauste Edie los. Auf dem Weg war das Rattern des Transporters zu hören, und dann war da nur noch der Wind.
    Holzkopf hatte es geschafft, sich von der Leine zu befreien, und wartete beim Auto auf sie. Sie öffnete die hintere Tür, schob ihn hinein und stieg auf der Fahrerseite ein. Der Motor sprang sofort an, und Edie löste die Handbremse. Holzkopf fing an zu bellen. Als sie sich umdrehte, um ihn zum Schweigen zu bringen, sah sie, dass der Wachmann auf sie zugelaufen kam, die Hand an seiner Pistole. Mit zuckender Schläfe zog sie die Handbremse an und kurbelte das Fenster herunter.
    Als der Wachmann sah, dass eine Frau am Steuer saß, schien er sichtlich erleichtert. Wenn er jemanden erwartet hatte, dann nicht sie. Ihr Puls verlangsamte sich ein bisschen. Zurück blieb ein Spannungsgefühl, das ihr von der Jagd her vertraut war. Ein Adrenalinstoß. Jetzt war es an ihr, die Situation in den Griff zu bekommen. Der Wachmann schaute nach hinten zu dem Hund, dann auf das Fernglas auf dem Beifahrersitz. Sie sah, dass er Einheimischenblut hatte.
    «Waren Sie jagen?»
    «Wenn man’s nur so nennen könnte.» Sie machte ein betrübtes Gesicht, achtete aber darauf, dass ihre Augen lächelten. «Hätte ebenso gut zu Hause bleiben und Plätzchen backen können bei dem Glück, das ich hatte.»
    «Nicht das richtige Wetter», sagte er. «Zu windig. Was für eine Flinte haben Sie dabei?»
    Sie deutete mit dem Kopf Richtung Kofferraum. «Eine gewöhnliche Remmy 308 . Die genügt für

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