Zeig mir den Tod
tun.«
Lederle schrieb
Trittbrettfahrer.
Jo Krenz stützte die Ellbogen auf und knetete seine Hände.
Die alte Geschichte arbeitet in ihm, dachte Ehrlinspiel.
»Rache«, schlug Freitag vor. »Die Familie hat genügend Geld, das will der Typ aber nicht. Es geht um etwas Persönliches.«
»Rache wofür?«, fragte Judith. »Für die Schande, wie in der SMS gesagt wird?«
»Das Haus gehört übrigens Lene Assmann«, warf Jo Krenz ein. »Sie hat es von ihren Eltern geerbt.«
»Günther oder Lene Assmann haben jemandem geschadet. Etwas Schändliches getan, vielleicht? Konkurrenz am Theater? Wir haben ja schon überlegt, ob jemand Assmann aus der Bahn werfen und ihm damit die Rolle des Fausts stehlen wollte. Oder – darüber hatten wir auch schon spekuliert – der Vater steckt mit drin. Um genau das zu bekommen, was er angeblich ablehnt, nämlich Publicity.«
Eine hagere Frau ganz hinten schüttelte den Kopf. »Ein Schauspieler würde sich doch nicht selbst der Schande bezichtigen. Der würde für positive Öffentlichkeit sorgen. Sich eher als Opfer geben, das man bemitleidet.«
»Mag sein«, gab Ehrlinspiel zu bedenken. »Aber wir wissen ja noch nicht, worauf der Entführer hinauswill.«
»Ihr beschreibt Assmann als karrieresüchtig und gleichgültig«, sagte Jo Krenz zu Ehrlinspiel. »Ich hab ihn anders erlebt, als wir Annika gesucht haben. Richtig verzweifelt, kaum ansprechbar. Zeitweise habe ich sogar befürchtet, er würde sich das Leben nehmen. Ganz anders als seine Frau. Die war stark. Die hat ihm Halt gegeben und war recht gefasst.«
»Sie wurde sofort wieder schwanger. Marius kam« – Ehrlinspiel blätterte in seinen Notizen – »genau neun Monate und sechsundzwanzig Tage nach Annikas Verschwinden zur Welt.«
»Verzweiflungssex?«, sagte Judith Maiwald.
»Möglich.« Ehrlinspiel zwang sich, gelassen zu bleiben. Er verfluchte den Abend im letzten Dezember, an dem die Sehnsucht nach Hanna ihn körperlich geschmerzt hatte und an dem er mit ein paar Kollegen in einer Kneipe gelandet war. Judith, die kühle Blondine, deren Privatleben eines der großen Rätsel der Polizeidirektion war, war zum ersten Mal mitgegangen. Weshalb, wusste Ehrlinspiel bis heute nicht. Aber er wusste, dass er nach zwei Bier hätte aufhören sollen zu trinken. »Aber wie auch immer«, sagte er, »die Schwangerschaft hat ihr wahrscheinlich Kraft gegeben, nach vorn zu blicken.«
Jo Krenz nickte. »Ja, hat sie. Lene Assmann hat das damals selbst zu mir gesagt. Trotzdem … ich werde bis heute den Gedanken nicht los, dass wir damals etwas übersehen haben. Irgendwas hat da nicht gestimmt. Ist ein Bauchgefühl, darüber könnt ihr gern lachen bei einem alten Knacker wie mir. Aber dass ich jetzt noch einmal mit denen zu tun habe, und gleich mit zwei Kindern … Irgendetwas stimmt da ganz und gar nicht. Das« – er schlug leicht auf seinen flachen Bauch – »sagt mir der da. Und was immer dahintersteckt, dieses Mal finde ich die Kinder. Und wenn ich dabei draufgehe.«
Stille machte sich breit. Niemand lachte über sein Bauchgefühl und den »alten Knacker«. Dann klapperten die Tasten von Frank Lederles Laptop, und er sagte: »Weiteres Vorgehen. Jo, du kennst die Familie, bist psychologisch geschult und hast eine Ausbildung in Gesprächsführung. Du fährst umgehend zu den Assmanns und übernimmst die erste Schicht der Angehörigenbetreuung. Halte Augen und Ohren offen, bleib kritisch den Eltern gegenüber. Du bist unser Verhandler, falls die Entführer sich wieder melden. Bitte die Familie um Offenlegung der finanziellen Verhältnisse. Wenn sie nicht kooperieren, dann lässt du, Judith, die Konten beschlagnahmen. Und falls der Vater heute Abend zu seiner Generalprobe zu gehen gedenkt, geht einer von uns mit! Wir schicken außerdem ein paar Leute zum Theater. Die Streifen sollen alles im Umkreis von dreihundert Metern überwachen. Vor allem Bertoldstraße, Werthmannstraße, Sedanstraße. Wer immer es mit Assmann zu tun hat: Lasst den Kerl und sein Handy nicht aus den Augen, und wenn ihr euch zu ihm auf die Bühne stellt. Und du, Edgar« – Lederle deutete auf den Pressesprecher –, »du hast fünfzehn Minuten für eine Polizeipressemeldung. Wir brauchen jede Unterstützung der Öffentlichkeit. Aber: kein Wort von den Forderungen des oder der Täter. Keine Spekulationen, nichts!«
Frank verteilte weitere Aufgaben: richterlichen Beschluss zur Überwachung von Assmanns Festnetz und Mobiltelefonen einholen; Hundertschaften zum
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