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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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irgendetwas von Ketonkörpern und Koma gesagt, aber das hat Becci nicht interessiert. Sie hat an Amelies weiße, süße Mäuse gedacht, die sie am Morgen in der Schule gegessen hat. Seit sie Amelies Mäuse und manchmal den Kuchen isst, haben ihre Freundinnen sie nicht mehr damit gehänselt, dass sie Diät macht.
    Jetzt, wo sie alles das spürt, was Mama aufgezählt hat, hat sie keine Angst mehr. Sie findet Totsein nicht so schlimm, wenn das so schön hell ist und so leicht. Sie kann dann schweben, als hätte sie Flügel.
    Sie will sich zu Marius umdrehen. Sie muss ihn fragen, wie das geht mit dem Sterben. Doch ihr Kopf bewegt sich nicht. Becci nimmt alle Kraft zusammen. »Marius«, sagt sie.
    Finsternis. Stille.
    »Marius!« Er muss ihr sagen, wo sie den Tod treffen kann. Er ist schon groß, er ist erwachsen. Marius muss es wissen! Da spürt sie seine Hand auf der Wange, weich und warm. Sie lächelt.
    »Becci, Zuckermaus.« Tropfen fallen auf ihre Lippen. Sie schmecken nach Salz.
    »Marius?«
    Seine Hand wischt über ihr Gesicht, sie ist weich und warm. »Hm?«
    Becci kann ein paar Züge atmen. »Marius.« Sie ist so froh, dass er noch bei ihr ist. »Zeig mir den Tod.«

[home]
    19
    I hre Hand schmerzte noch immer, als sie den Gasgriff am Lenker zu sich drehte und das Mofa sich in Bewegung setzte. Kaugummikauend blickte sie zu der abgebröckelten Fassade, die im Dämmerlicht und mit den verwilderten Rosensträuchern davor fast idyllisch aussah. Im Erdgeschoss brannte Licht, ein dreckiges gelbes Quadrat, doch ihr Vater würde vermutlich gar nicht merken, dass sie wegfuhr. Er würde auf der Eckbank sitzen und das Foto ihrer Mutter anstarren, Schnaps trinken und dann irgendwann, den Kopf auf dem Tisch, einschlafen. In ihr Zimmer würde er nicht gehen. Dennoch hatte sie es abgeschlossen.
    Nessy lockerte den Griff, und der Schmerz ließ nach. Torben konnte so ein Arschloch sein. Er durfte nicht erfahren, dass sie allein auf Tour ging. Erst recht nicht, wohin.
    Lange hatte sie überlegt, wie sie ihn heute Abend abwimmeln sollte, dann ihren kranken Vater als Grund vorgeschoben, eine Hose und Sneakers angezogen, dazu ein Kapuzenshirt. Nach dem ersten sonnigen Tag war es empfindlich kalt geworden, und jetzt, wo Torben vermutlich bei seinen Eltern in dem Nobelbunker saß und sich von der Köchin das Dinner servieren ließ, konnte sie getrost auf Lackstiefel und Minirock verzichten. Sie durfte sich nicht erkälten! Ohnehin würde sie in dem nuttigen Aufzug nicht den gewünschten Eindruck hinterlassen.
    Das kegelförmige Scheinwerferlicht ihres Mofas glitt die Straße entlang, Autos fuhren in großen Bögen an ihr vorbei, sie roch die Abgase, und trotz der wärmeren Kleidung fror Nessy schon nach wenigen Minuten. Dafür fühlten ihre Ohren sich unter dem alten Helm heiß wie im Fieber an. Wenigstens dämpfte er das Knattern des Motors.
    Sie war froh, dass sie im Dezember achtzehn Jahre alt wurde. Nach dem Abi würde sie sich einen Job suchen. Jeden Cent würde sie sparen, und dann endlich den Führerschein machen. Sie hatte es so satt, mit dieser klapprigen Kiste herumzufahren.
    Als sie ihr Ziel erreicht hatte, stellte sie das Mofa neben einem Strauch am Straßenrand ab und hängte den Helm an den Lenker. Das Visier war zerkratzt, der weiße Kunststoff schon gelblich. Unentschlossen blieb sie stehen und sah auf die Lichter der Stadt hinab, die sich wie kleine Leuchtpunkte bis weit in die Rheinebene zogen. So einen Blick hätte sie auch gern von zu Hause aus.
    Ein paar Meter weiter ging eine Fahrzeugtür auf und schlug wieder zu. Ein dicker kleiner Mann mit Hosenträgern war ausgestiegen und zündete sich eine Zigarette an. Nessy dachte zuerst, er würde auf sie zukommen, doch er lehnte sich nur an seinen Schlitten und starrte im Licht einer Straßenlaterne herüber, die Glut der Zigarette glimmte in regelmäßigen Abständen auf. Noch ein Stück die Straße hinauf parkte ein weißer Kastenwagen mit großer Antenne darauf, wenn sie das richtig erkannte.
    Los, Nessy,
sagte sie sich, und ihre Finger begannen zu kribbeln. Scheiße!
Stell dich nicht so an.
Dabei war Torben doch weit weg!
    Sie war schon einmal hier gewesen, hatte sich aber nicht getraut zu klingeln. Wie hätte Marius reagiert? Wie sein Vater? Jetzt, nachdem die Geschwister entführt worden waren, hatte sie noch mehr Angst davor. Doch es gab keinen anderen Weg.
    Sie spuckte den Kaugummi aus und überquerte die Straße, und noch bevor sie klingeln konnte, blinkten neben

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