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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Annikas, und seine Handflächen wurden feucht. »Nein«, flüsterte er, »bitte, nein.«
    Er griff nach einem neuen Zettel. Schrieb
Annika.
Einen zweiten.
Rebecca.
Einen dritten.
Annika Rebecca.
Wie im Rausch notierte er die beiden Namen,
Annika Rebecca, Rebecca Annika,
immer wieder, bis ihm der Füller aus der schweißnassen Hand glitt und er mit einem Schrei die Zettel vom Tisch fegte.
    Still saß er die nächsten Stunden da, bewegte sich nicht. Nur die Tränen kullerten über seine Wangen. Er lauschte den Vögeln und beobachtete das Licht, das erst grau, dann rosarot durch die Bäume im Park brach, ihm zu winken schien, wie Annika es morgens immer gemacht hatte, wenn sie in den Garten lief, und später manchmal Rebecca – nur, dass er seiner zweiten Tochter fast nie zurückgewunken hatte.
    Er wusste, dass Ehrlinspiel recht hatte. Alles war verloren. Egal, was er nun tat.
    Ein Klopfen an der Tür ließ ihn hochschrecken. »Herr Assmann? Alles in Ordnung?«
    Sein Nacken war bis in den Rücken hinab verspannt. Er musste eingeschlafen sein! »In Ordnung? Witzbold!«
    Er hörte, wie hinter ihm die Tür aufging. Rasch schlug er das Fotoalbum zu, zog die Decke fest um sich und wandte sich um.
    Krenz blickte sich im Zimmer um, schaute auf den Boden, der mit Zetteln übersät war, auf Günthers Gesicht, das fahl und eher wie eine Totenmaske aussehen musste, und zu seinen nackten Füßen.
    »Ich kann mich nicht erinnern, Sie hereingebeten zu haben.«
    Krenz legte Daumen und Zeigefinger ans Kinn. »Dann haben Sie nicht mich gemeint mit ›Geh nicht weg, mein Engel!‹?«
    Günther spürte den Hass heiß in sich emporsteigen. Er stand auf und ging auf Krenz zu, die Decke fiel zu Boden, doch seine Nacktheit war ihm egal, er war ohnehin schon entblößt bis auf die Knochen. »Ich sehe keine blonden Löckchen und auch keine Flügel.«
    »Dann muss ich mich wohl geirrt haben. Das Alter. Vielleicht doch bald ein Hörgerät. Es gibt übrigens Kaffee, Herr Assmann. Brötchen habe ich auch bestellt. Wenn Sie geduscht haben …« Er nickte und schloss die Tür von außen.
    »Arschloch«, zischte Günther.
    O nein, er ließe sich sein Leben nicht kaputt machen.
    Dann ging er zum Telefon und wählte die Nummer, die er seit zwanzig Jahren versuchte zu vergessen.

[home]
    22
    Sonntag, 19 Uhr
    N ichts Auffälliges«, sagte die Dame in der weißen Bluse, um deren Kragen sie ein rotes Tuch gebunden hatte.
Service, Gisela Müllerklein,
stand auf einem Schildchen. »Einmal Sekt, einmal Orangensaft.« Sie reichte Ehrlinspiel zwei Gläser. »Sieben Euro, bitte.«
    Er bezahlte und steckte den Geldbeutel in die Innentasche seines Jacketts, wo auch das Minifunkgerät saß. »Und drüben?« Diskret deutete er mit dem Kinn auf die andere Seite des Theater-Foyers, wo heute ein paar extra Garderobefrauen arbeiteten. Kollegen von der Polizei – wie auch Frau Müllerklein.
    »Nichts Auffälliges.«
    Die Stehtische waren dicht umringt. Damen in Abendkleidern, Männer in Anzügen, Sekt und Weißwein trinkend. Die meisten Frauen hatten glänzende Handtäschchen unter den Arm geklemmt und stöckelten auf viel zu hohen Absätzen auf dem Marmorboden umher. Das Abendlicht, das durch die riesigen Fenster fiel, vermischte sich mit dem gelben Schein der Lichtröhren, die an den Wandvorsprüngen angebracht waren. Stimmengewirr erfüllte den hohen Raum.
    Ehrlinspiel fühlte sich unwohl in dem dunklen Anzug – dem einzigen, den er besaß und sonst nur zu Beerdigungen oder Hochzeiten trug. Um nicht ganz so spießig zu wirken, hatte er ein fliederfarbenes Hemd angezogen, die beiden obersten Knöpfe offen gelassen und auf eine Krawatte verzichtet. Hanna war begeistert gewesen.
    »Du beobachtest nur«, hatte Frank Lederle ihn in der Soko-Sitzung am Vormittag angewiesen. »Wir haben knapp dreißig Frauen und Männer, die sich unter das Servicepersonal und Publikum mischen. Die Einfallstraßen sind abgesperrt. Kameras im gesamten Theater installiert. Das Mobile Einsatzkommando hat außerdem in zwei konspirativen Wohnungen Posten bezogen. Eine liegt in der Bertoldstraße mit Blick auf den Künstlereingang und gehört einem Politiklehrer.« Lederle hatte die Augenbrauen gehoben. »Der Mann fühlt sich mit seiner Vorstellung von Recht und Ordnung der Polizei auf etwas, nun ja, unangenehme Weise verbunden. In der zweiten Wohnung, in der Sedanstraße neben der abgerissenen Universitätsbibliothek, lebt eine ehemalige Sekretärin von unserem Oberboss. Von dort aus sieht man

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