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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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sie doch gar keine Strumpfhose und keine Unterhose mehr an. Und die neue Decke, die Marius um sie gewickelt hat, ist auch schon nass.
    »Marius.« Ihre Lippen bewegen sich nicht. »Du musst das wegmachen.« Sie wartet hundert Jahre, aber er antwortet nicht. Langsam wird sie doch böse. »Du bist blöd«, sagt sie. »Du hast mich allein gelassen! Du darfst nie wieder Zuckermaus zu mir sagen!«
    Über ihr sind komische Geräusche zu hören. Es trappelt wie eine Million Billionen Vogelfüße. Vielleicht sind es Mäuse. Oder eine Billion Trilliarden Regentropfen. Oder alles zusammen.
    Sie fällt ein Stück nach unten, obwohl es doch gar nicht mehr weitergeht. Es wird immer wärmer, und ihre Arme und Beine schmerzen.
    Draußen setzt das Stampfen ein. Leise kommt es heran, wird lauter, es ist der Riese, der kein Riese ist, aber jetzt kommt er näher, und er packt sie mit der einen Hand an den Handgelenken und mit der anderen an den Füßen, zieht, bis es sie fast auseinanderreißt so wie das Gummiband, mit dem sie im Kindergarten mit den anderen Mädchen herumgehüpft ist. Aber jetzt macht sie das nicht mehr, das ist was für Kleine, nur der Schmerz, der ist groß. Sie will schreien, sich wehren, sich zusammenkrümmen gegen das Reißen, und da lässt er sie fallen. Im nächsten Moment drückt er sie mit seinen riesigen Pranken auf das dünne Polster, und sie glaubt, dass jeder Knochen und alles, was dazwischen ist, kaputtgeht. Sie besteht nur noch aus Schmerz.
    Das ist bestimmt alles nur passiert, weil Marius sie angelogen hat! Er kommt nämlich gar nicht zurück. Er ist weggegangen und hat sie alleingelassen.
Der blöde Marius!
Sie hätte es wissen müssen, dass er sie im Stich lässt. Immer ist er nur weg gewesen. Manchmal ist sie nachts aufgewacht und hat ihn gesucht, und da war er nicht in seinem Zimmer. Obwohl er versprochen hat, mit ihr zu spielen und ihr Sachen im Garten und Tiere im Wald zu zeigen. Das war schon im Herbst gewesen, als der Garten ganz gelb und rot war vom Laub. Das Schneehaus im Winter hat sie dann allein gebaut. Aber es ist nicht gut geworden und immer zusammengestürzt, außerdem war es viel zu klein. Als sie ihn später gefragt hat, hat er nur gesagt, er hat jemanden treffen müssen. Es sei alles in Ordnung.
    Wahrscheinlich ist er immer heimlich zu Torben gegangen. Torben hat sie nämlich nicht nur ein Mal angesprochen auf dem Schulhof. Er hat nicht nur gesagt, dass Marius ein schlechter Schüler sei. Aber von den anderen Malen hat sie Marius doch nichts erzählen können, als er sie vor einer Ewigkeit hier in diesem finsteren stinkenden Versteck danach gefragt hat. Er wäre sicher sauer geworden. Oder er hätte noch mehr geheult. Torben hat nämlich gesagt, dass Marius nicht ihr richtiger Bruder sei. Aber sie hat dem Schleimer kein Wort geglaubt. Torben hat gesagt, dass er sich um Marius kümmert. Dabei hat er so doof gegrinst, gar nicht richtig mit dem ganzen Gesicht, seine Wangen haben sich nicht bewegt, nur seine Mundwinkel sind nach oben gegangen. Und dann hat er gesagt: »Ich bin ein Freund.«
    Wahrscheinlich hat Torben doch recht gehabt, und Marius ist nicht ihr richtiger Bruder. Deswegen hat er sie auch allein gelassen.
    Sie wird jetzt richtig böse. »Du kommst in die Hölle, wenn du tot bist!«, schreit sie und schlägt mit der Faust um sich, aber wie bereits die ganze Zeit kommt kein Ton aus ihr heraus, und nicht mal ihr kleiner Finger bewegt sich. Scheiße!
    Bestimmt ist Marius nachts heimlich zu Torben gegangen, jetzt weiß sie es! Denn in das Haus von Mama und Papa dürfen ja keine Freunde kommen. Nicht mal Amelie darf kommen, weil ihre Eltern dauernd Angst haben, dass ihre beste Freundin was von dem Zucker mitkriegt. Blöde Mama! Blöder Papa! Blöder Marius!
    Aber sie geht ja sowieso nicht mehr nach Hause. Sie stirbt jetzt, das weiß sie. Dann sind die anderen ihr total egal!
    Sie hustet, dann fließt wieder der Schleim aus ihrem Mund, und sie schnappt nach Luft, die aber nicht mehr in sie hineinkommt.
    Vielleicht haben Marius und Torben Bier zusammen getrunken, und Torben hat noch abgehobener geredet als sonst. Fast muss sie wieder kotzen bei dem Gedanken daran. Becci mag kein Bier. Einmal hat sie heimlich einen Schluck aus Papas Flasche getrunken, als er aufs Klo ist. Das war blöd, denn sie hatte auch sofort aufs Klo müssen, um das Zeug auszuspucken, und so hat sie mit vollem Mund bis in ihr Badezimmer nach oben rennen müssen und hat sich fast auf der Treppe

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