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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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wieder dieses seltsame Gefühl im Herzen, und ihm stand ganz klar vor Augen, was er an Gabe {136 } nicht leiden konnte: Genau diese Art von Fragen, genau solche sonderbaren Kommentare – denn sie erwischten ihn jedes Mal auf dem falschen Fuß.
    »Sie sollten lieber drangehen«, fuhr Gabe fort.
    »Was? Wo dran denn?«
    Ehe Gabe antworten konnte, klingelte das Telefon, und obwohl Lou sonst darauf bestand, dass Alison seine Anrufe vorfilterte, stürzte er sich diesmal sofort auf den Hörer.
    Es war Ruth.
    »Hallo, Schatz.« Lou gab Gabe mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er gehen sollte, aber Gabe ignorierte ihn komplett und fing stattdessen an, mit den Früchten zu jonglieren. Da ihm nichts Besseres einfiel, wandte Lou ihm den Rücken zu. Aber das fühlte sich noch unangenehmer an, und er drehte sich schnell wieder um. So konnte er diesen seltsamen Jongleur wenigstens im Auge behalten.
    »Hm, ja, wegen heute Abend … Mir ist leider was dazwischengekommen, und … «, begann er mit gesenkter Stimme.
    »Lou, tu mir das nicht an«, erwiderte Ruth. »Es wird Lucy das Herz brechen.«
    »Ich schaffe es ja bloß nicht zu der Aufführung, Liebes. Lucy wird mein Fehlen bestimmt nicht mal bemerken, im Zuschauerraum ist es ja stockdunkel. Du kannst doch einfach so tun, als wäre ich da. Der Rest des Abends ist kein Problem, aber Mr Patterson hat mich gebeten, mich mit einem unserer Klienten zu treffen. Der Termin ist ziemlich wichtig und könnte mir helfen, Cliffs Job zu kriegen, weißt du?«
    »Ich weiß, ich weiß. Und wenn du tatsächlich eine Beförderung bekommst, hast du vermutlich noch weniger Zeit für uns als bisher.«
    »Nein, nein, ich muss nur in den nächsten paar Monaten richtig reinhauen, um mich zu beweisen.«
    »Vor wem willst du dich denn beweisen? Laurence weiß doch längst, was du kannst, schließlich bist du seit fünf Jahren in der Firma. Aber egal, ich möchte über dieses Thema jetzt nicht diskutieren. Kommst du nun zu Lucys Aufführung oder nicht?«
    »Zu der Aufführung?« Lou biss sich auf die Lippe und warf einen Blick auf seine Uhr. »Nein, das werde ich wohl nicht schaffen.«
    In diesem Moment ließ Gabe den Apfel fallen, fuhr aber fort, mit den beiden Orangen zu jonglieren, während der Apfel gemächlich über den Teppich in Richtung Lous Schreibtisch kullerte. Mit einem kindischen Gefühl der Befriedigung nahm Lou zur Kenntnis, dass Gabe ein Missgeschick unterlaufen war.
    »Dann kommst du also erst zum Essen nach Hause? Mit deinen Eltern, Alexandra und Quentin? Ich hab gerade mit deiner Mum telefoniert, und sie hat gesagt, dass sie sich sehr darauf freut. Du hast sie seit einem Monat nicht mehr besucht, weißt du.«
    »Aber es ist noch längst keinen Monat her, dass ich sie gesehen habe. Ich hab Dad getroffen, und das war grade mal … « Er hielt inne und rechnete. »Na ja, vielleicht ist es doch
fast
einen Monat her.« Ein ganzer Monat? Wie die Zeit verflogen war.
    Für Lou waren die Besuche bei seinen Eltern eine lästige Pflicht – ungefähr wie Bettenmachen. Wenn er sein Bett nicht gemacht hatte, musste er immer wieder an die unordentlichen Laken denken, bis ihn das schließlich so störte, dass er es lieber schnell hinter sich brachte. Sobald die Sache erledigt war, war er zufrieden. Aber dann, gerade {138 } wenn er dachte, die Angelegenheit wäre abgehakt und aus der Welt, wachte er auf und wusste, dass alles wieder von vorne losging. Beim Gedanken daran, wie sein Vater sich darüber beklagte, dass sie sich so selten sahen, wäre Lou am liebsten auf der Stelle weggelaufen. Immer der gleiche jammerige Satz – es konnte einen in den Wahnsinn treiben. Natürlich machte ihm das Gejammer auch ein schlechtes Gewissen, aber hauptsächlich verspürte er den Wunsch, es nie mehr hören zu müssen – was dazu führte, dass er noch seltener den Kontakt zu seiner Familie suchte. Er musste genau in der richtigen Stimmung dafür sein, denn dann konnte er seine Gefühle aus einer gewissen Distanz betrachten. Wenn er das nicht schaffte, blaffte er unbeherrscht zurück und hielt seinem Vater in allen Einzelheiten vor, wie eingespannt und erfolgreich er war, nur um den alten Mann mundtot zu machen. Und heute war Lou ganz ohne Zweifel nicht in der richtigen Stimmung. Bestimmt war es für alle Beteiligten leichter, wenn er sich erst zu den anderen gesellte, nachdem sie schon etwas getrunken hatten.
    »Womöglich schaffe ich es nicht zum Essen, aber auf jeden Fall komme ich zum Nachtisch.

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