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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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inne und sah Lou an. Er erwiderte ihren Blick, und so starrten sie sich eine Weile an. Dann breitete sich ein {264 } Lächeln über Alisons Gesicht, aus dem Lächeln wurde ein Lachen, sie schüttelte sich geradezu und beugte sich zurück, bis ihre langen blonden Haare die Schreibtischplatte berührten.
    »Ach Lou«, stöhnte sie und tupfte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln.
    »Es ist wirklich kein Witz«, beharrte Lou, nun mit festerer Stimme, in der man tatsächlich Würde und Selbstbewusstsein erkennen konnte. Auf einmal klang er wie ein Mann.
    Als Alison merkte, dass er nicht zu Scherzen aufgelegt war, verstummte ihr Lachen.
    »Es ist wirklich kein Witz?«, wiederholte sie, zog eine Augenbraue hoch und blickte ihm direkt in die Augen. »Vielleicht kannst du
ihr
was vormachen, Lou, aber
uns
nicht.«
    »Euch?«
    Sie machte eine vage Handbewegung zur Tür hinter sich. »Uns. Alle. Egal.«
    Lou schob seinen Stuhl vom Tisch weg.
    »Oh, okay, soll ich ›uns‹ genauer definieren? Kein Problem: Gemma aus der Buchhaltung, Rebecca aus der Kantine, Caroline aus der Personalabteilung, Tracey – meine Vorgängerin –, und den Namen der Kinderfrau hab ich nicht rausgekriegt. Soll ich weitermachen?« Sie lächelte wieder, trank einen Schluck von ihrem Rotwein und musterte ihn. Ihre Augen tränten und waren gerötet, als würde der Wein direkt in ihre Augen fließen. »Erinnerst du dich noch an sie alle?«
    »Das ist so … « Lou schluckte und hatte Schwierigkeiten beim Atmen. »Das ist schon so lange her. Ich habe mich geändert.«
    »Das mit der Kinderfrau war gerade mal vor sechs Monaten«, entgegnete sie lachend. »Menschenskind, Lou, was meinst du, wie viel sich ein Mensch in einem halben Jahr ändern kann? Wenn überhaupt … «
    Auf einmal wurde Lou schwindlig, ihm war übel. Panik ergriff ihn, und er fuhr sich mit der feuchten Hand durch die Haare. Was hatte er nur getan?
    »Denk doch mal drüber nach«, meinte Alison und kam immer mehr in Fahrt. »Wenn du hier die Nummer zwei wirst, kannst du alle haben, die du willst – aber denk immer dran, dass ich die Erste war!« Sie lachte wieder, stellte das Weinglas weg, streckte erneut den Fuß aus und angelte nach seinem Stuhl. »Und wenn du mich mitnimmst, dann kann ich mich um alle deine Bedürfnisse kümmern.«
    Sie nahm ihm das Whiskyglas aus der Hand und stellte es neben ihr Weinglas auf den Tisch. Dann griff sie nach seiner Hand, zerrte ihn hoch, und er gehorchte wie eine willenlose Gliederpuppe. Sie strich mit den Händen über seine Brust, packte ihn am Revers und zog ihn noch dichter zu sich. Doch kurz bevor ihre Lippen seine berührten, drehte er rasch den Kopf zur Seite, so dass sein Mund auf ihrem Ohr landete. Ganz leise flüsterte er: »Meine Ehe ist kein Witz, Alison, und meine Frau ist ein wunderbarer Mensch. Sie sollten hoffen, eines Tages zu werden wie sie.«
    Damit zog er sich endgültig von ihr zurück und trat einen Schritt vom Schreibtisch weg.
    Wie erstarrt blieb Alison auf der Tischplatte sitzen. Nur ihr Mund öffnete sich, und sie begann, mit der Hand an ihrem Rocksaum herumzuzupfen.
    »Ja«, sagte Lou, während er ihr zuschaute. »Sie sollten sich lieber wieder richtig anziehen. Lassen Sie sich Zeit, um sich zu sammeln, aber bevor Sie gehen, legen Sie bitte die {266 } Akten, die vorhin heruntergefallen sind, wieder an ihren Platz zurück«, fuhr er ruhig fort.
    Dann steckte er die Hände tief in die Taschen, damit sie nicht sehen konnte, wie er zitterte, verließ das Büro und marschierte mitten in eine Karaoke-Veranstaltung hinein, bei der Alex aus der Buchhaltung gerade »All I Want for Christmas« von Mariah Carey zum Besten gab. Überall wirbelten Papierschlangen durch die Luft, und betrunkene Frauen und bärtige Männer überhäuften Lou mit Küssen, während er sich einen Weg zum Aufzug zu bahnen versuchte.
    »Ich muss gehen«, sagte Lou, zu niemandem im Besonderen. Ein paar Leute versuchten ihn zu packen und mit ihm zu tanzen, andere stellten sich ihm einfach in den Weg, rempelten ihn an und verschütteten dabei ihre Getränke. »Ich muss gehen«, sagte Lou immer wieder, jetzt schon etwas aggressiver. Sein Kopf dröhnte, ihm war übel, und er fühlte sich, als wäre er gerade im Körper eines anderen Menschen aufgewacht, der sein Leben an sich gerissen und auf den Kopf gestellt hatte. »Mein Dad wird heute siebzig, ich muss gehen«, wiederholte er, während er sich weiter durch die Menge kämpfte. Endlich erreichte er die Aufzüge,

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