Zeit der Eisblueten
Bars gesehen? Warst du in den Bars?«
»Ja.«
Dafydd schwenkte den Scotch in seinem Glas. Thorn legte den Kopf auf seinen Schoß und blickte mit von traurigem Wissen erfüllten Augen zu ihm auf.
»Na los«, drängte Ian. »Warum, zum Teufel bis du nach Moose Creek gekommen? Wir sind schließlich kein Urlaubsziel.«
»Wieso nicht? Ich habe hier sehr viele Touristen gesehen.«
»Das sind nicht solche Typen wie du.«
»Also gut, ich erzähl’s dir. Sheila behauptet, dass ich der Vater ihrer Zwillinge bin.« Er legte eine Pause ein, damit Ian seine Worte verarbeiten konnte. »Zuerst hab ich geglaubt, sie mache einen Scherz oder sei verrückt geworden. Aber als sie nicht davon abließ, haben wir einen DNA-Test durchführen lassen. Er gab ihr recht, und über DNA kann man bekanntlich nicht streiten.«
»Eine gottverdammte Scheiße.« Ian pfiff durch die Zähne, schüttelte den Kopf und schaute Dafydd in ehrlicher Verblüffung an. Dann warf er lachend den Kopf zurück und ließ eine Spur seiner einstigen Ausstrahlung aufblitzen. »Ich wusste es. Ich wusste, dass du scharf auf sie warst, wie sehr du dich auch bemüht hast, es zu leugnen … Also hast du’s mit Sheila getrieben!« Er lachte erneut, wurde dann aber plötzlich ernst. »Was will sie?«
»Das Übliche. Geld …«
»Mein Gott.« Ian strich mit den Fingern durch sein strähniges Haar. »Was wirst du hinsichtlich der Kinder tun?«
»Weiß ich nicht.«
Welchen Sinn hatte es, Ian von seiner Überzeugung zu erzählen, dass die Schwangerschaft durch einen hinterhältigen Trick zustande gekommen war? Durch einen tückischen Diebstahl seines Spermas. Es würde lediglich einen weiteren Heiterkeitsausbruch bewirken, obwohl das die Sache eigentlich wert war. Es ermunterte ihn, einen Funken von Ians früherer Sinnlichkeit zu sehen. Die Hässlichkeit, die von ihm Besitz ergriffen hatte, war zu bedrückend, und seine körperliche und seelische Ausgezehrtheit erfüllten Dafydd mit tiefer Trauer. Wenn er Ian betrachtete, schien das Leben sehr kurz zu sein.
Ian stand auf, entschuldigte sich und verschwand im Badezimmer. Gut zehn Minuten verstrichen in absoluter Stille, die nur von Thorns gelegentlichem Keuchen unterbrochen wurde. Dafydd wollte schon nach Ian rufen, als er die Toilettenspülung rauschen hörte. Sein Freund kam mit kreidebleichem Gesicht herausgetaumelt.
Ian setzte sich hin und goss sich einen kleinen Zusatzschluck ein. »Es ist komisch«, sinnierte er, »ich hatte schon fast geglaubt, es seien meine Kinder. In der Stadt kursierten zahlreiche Mutmaßungen. Ihr damaliger Freund hat sie dreikantig rausgeschmissen. Er wusste, dass er es nicht gewesen war, und sie hat sich immer geweigert, Genaueres darüber zu verraten. In letzter Zeit dachte ich, Hogg könnte der Schuldige gewesen sein. Seit Anita ihn verlassen hat, rennt er hinter ihr her wie ein Rüde hinter einer läufigen Hündin … Er würde alles für sie tun. Und es war ihm scheißegal, dass die Leute deshalb anfingen, sich das Maul zu zerreißen. Aber er ist ja auch schon immer in sie verliebt gewesen.«
»Jedenfalls werde ich einen Schritt nach dem anderen machen. Morgen treffe ich die Kinder.«
»Nettes Mädchen … na ja, eine normale freche Heranwachsende. Der Junge ist schwer einzuschätzen. Man bekommt nicht viel aus ihm raus. Ich habe den Eindruck, dass er außerordentlich clever ist. Sieht auch seltsam aus, ein Gesicht wie ein Gespenst.« Ian blickte ihn mit aufrichtigem Mitgefühl an. »Besser du als ich, Mann.«
»Ich hab dir mehrmals geschrieben. Warum hast du mir nie geantwortet?«, fragte Dafydd. Er war gekränkt gewesen, weil Ian ihn nicht als Freund betrachtet hatte, mit dem es sich lohnte, in Kontakt zu bleiben. Aber wo er ihn jetzt vor sich hatte, begriff er, dass Ian kein Mann mit Initiative war. Außerdem hatte Ian stets in den Tag hinein gelebt, und was Menschen betraf, so verfuhr er wahrscheinlich nach dem Prinzip: »Aus den Augen, aus dem Sinn«.
Das Hupen eines Autos ersparte Ian eine Antwort auf die überflüssige Frage. Thorn heulte aus reinem Prinzip gelangweilt auf.
»Das ist mein Taxi.«
»He, nimm mein Auto. Ich brauche es in den nächsten Wochen nicht. Dann kannst du mich auch weiterhin mit Vorräten versorgen.«
»Ist das dein Ernst?« Ein Auto wäre wirklich sehr nützlich. Dann konnte er mit den Kindern einen Ausflug machen. Vielleicht auch ein oder zwei Tage allein irgendwo hinfahren … sich die Wildnis ansehen.
Er bezahlte den Taxifahrer und fuhr mit
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