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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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ihm.
    »Lies ihn doch endlich.« Unter dem Tisch falteten seine Hände den Umschlag wieder und wieder, bis ein fester kleiner Würfel entstanden war. »Was glaubst du finden zu können? Fingerabdrücke?«
    Sie starrte ihn wütend an. Nachdem sie den Brief gelesen hatte, drehte sie ihm das Gesicht zu. »Du hast ihnen geschrieben. Warum um alles in der Welt hast du das getan? Ich dachte, wir hätten vereinbart …«
    Ein lautes Klirren rettete ihn vor ihrer Verärgerung, wenigstens zunächst einmal. Dafydd eilte ins Speisezimmer und blickte durch das Fenster nach unten in den langen, schmalen Garten. Der Werkzeugschuppen schaukelte bei jedem Windstoß auf seinem Fundament hin und her. Isabel war ihm gefolgt.
    »Der Schuppen fliegt gleich weg.« Dafydd schaute auf das winzige Gebäude und spürte eine klammheimliche Freude über die Kräfte der Natur, auch wenn sie zuweilen zerstörerisch waren.
    »Warum tust du solche Dinge hinter meinem Rücken? Wir hatten doch vereinbart, gemeinsam damit umzugehen.«
    »Wenn der Schuppen gegen das Gewächshaus knallt … Herrje, sieh mal die Bäume!«
    Das Haus war eine kräftige viktorianische Konstruktion, aber die beiden riesigen Blutbuchen im Garten standen viel zu dicht daran.
    »Lass uns hoffen, dass mit unserer Versicherung alles stimmt.«
    Isabel packte ihn am Arm und riss ihn zu sich herum. »Zur Hölle mit den Bäumen! Zur Hölle mit der Versicherung! Sag etwas zu dem hier!« Ihre Stimme übertönte den heulenden Wind, und sie stach mit dem Finger auf den Brief ein, der sich noch immer in ihrer anderen Hand befand.
    Es war noch keine Woche vergangen, seit er dem Mädchen geschrieben hatte. Er hatte angenommen, dass die Post lange brauchen würde, um in die Nordwestlichen Territorien zu gelangen. Früher war das so gewesen.
    Er blickte in Isabels erregtes Gesicht. Ihre Augen, dunkel und intensiv, bohrten sich zornig in seine.
    »Hör mal, ich habe darüber nachgedacht und beschlossen, es nicht länger über mir schweben zu lassen. Darum habe ich einfach zurückgeschrieben und dem Mädchen erklärt, dass ihrer Mutter irgendein Irrtum unterlaufen ist und dass ich unmöglich ihr Vater sein kann. Und dass ich ihr Glück bei der Suche nach ihrem wirklichen Vater wünsche. Das ist alles.«
    »Ich würde gern sehen, was du geschrieben hast.«
    Er hatte keine Kopie seines Briefes aufbewahrt, und nun wurde ihm klar, dass es klug gewesen wäre, das zu tun. »He … tut mir leid …« Er griff nach ihrer Hand und zog sie an sich. »Ich weiß, dass wir beide davon betroffen sind, aber lass mich die Sache erledigen. Ich habe Andy angerufen, und er riet mir zu schreiben und ihnen mitzuteilen, dass sie die falsche Person ausgewählt haben. Ich bring das in Ordnung. Vertrau mir, ja?«
    Er wollte zuversichtlich klingen, aber Sheila Haileys Brief war schockierend eindeutig. Er war ein echter Test für Isabels Vertrauen, und er spürte ihre Zweifel. Ihr Körper versteifte sich in seinen Armen.
    »Nein.« Isabel entwand sich seiner Umarmung. »Geh den offiziellen Weg. Bitte Andy, direkt an diese Frau, diese Sheila zu schreiben.« Sie zog ihren alten Tabakbeutel aus der Tasche ihres Hemdes und drehte sich eine Zigarette. »Ich weiß, was du mir über Sheila und all das Zeug zwischen euch beiden erzählt hast, also spar dir die Mühe, es zu wiederholen. Aber sie klingt sehr sicher. Offenkundig will sie Geld und denkt, dass du es ihr geben wirst.«
    Isabel schätzte Sheila vielleicht richtig ein, aber er konnte nicht begreifen, dass Sheila für ein bisschen Geld bereit war, ihre Kinder den Problemen und Verletzungen auszusetzen, die möglicherweise durch diese Farce erzeugt wurden. Er spielte mit dem Gedanken, eine kanadische Kinderschutzorganisation zu kontaktieren und sie um eine Überprüfung zu bitten. Schließlich war die Frau gestört, sie musste es sein. Sollte sie wirklich die Verantwortung für zwei verletzliche Jugendliche tragen? Er regte sich heftig darüber auf. Das Mädchen war in eine Fantasiewelt gezogen worden, in der er die Rolle des Vaters spielte, nach dem sie sich sehnte, der Mann, der eventuell die Rettung war vor … Nur Gott wusste, aus welchem merkwürdigen und zerrütteten Umfeld.
    Er ließ Isabel am Fenster stehen und ging in die Küche, um die Weingläser zu holen. Er stellte sie in den Wintergarten, eine Spezialanfertigung, in der sie während der sechs Sommer ihrer Ehe oft geschlafen hatten. Jetzt wirkte er feucht, zugig und instabil. Die Konstruktion würde bald

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