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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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irgendetwas bringen … einen Schlummertrunk? Ich bringe ihn in Ihr Zimmer, wenn Sie das wünschen.«
    Dafydd sah sie sprachlos an. War dies das, wofür er es hielt? »… ’ne Menge Frauen, die nicht zögern würden …« Hatte das nicht seine geriebene Taxifahrerin gesagt? Und sie verloren offenbar keine Zeit.
    »Danke, äh … Brenda. Ich habe alles. Aber trotzdem danke.« Er fürchtete, sehr naiv zu erscheinen. Sie war ausgesprochen sexy. Aber einfach so … heute Abend?
    Brenda lächelte. »Sind Sie sich da ganz sicher?«
    »Mhm … ja«, nickte er.
    »Okay.« Sie zuckte unbeschwert die Schultern und zeigte damit, dass sie wegen der Zurückweisung nicht gekränkt war. »Dann schlafen Sie gut.« Sie drehte sich flink um, und ihr Gesäß wackelte sinnlich hin und her, während er gebannt zusah, wie sie sich den Flur entlang von ihm entfernte.
    Er spürte, wie etwas regelmäßig gegen das Bett stieß. Die Erschütterungen stiegen sein gesamtes Rückgrat bis in seinen Schädel hoch. Gleichzeitig war es, als klopfe jemand mit einem kleinen Hammer gegen seinen Kopf – schnelle, böse Schläge. Dafydd fuhr senkrecht aus dem Schlaf hoch und spähte in der Dunkelheit um sich. Es schien niemand da zu sein, aber das Gehämmer ging weiter, wurde schneller und heftiger. Jäh hörte es auf, und ein langes tiefes Stöhnen folgte. Dafydd spitzte die Ohren, um die Quelle des mysteriösen Lärms auszumachen. Dann hörte er Stimmen und Gelächter.
    Verflucht. Die Wand, die ihn von dem kopulierenden Paar trennte, war dünn wie Pappe, und ihr Bett stand direkt an seinem. Nach ein paar Minuten heiserer Unterhaltung schienen seine erschöpften Nachbarn einzuschlafen. Während er ihren Geräuschen lauschte, glaubte er deutlich zu spüren, wie der kitzelnde Luftzug ihres Atems über sein Gesicht hinwegstreifte. Er stieg aus dem Bett und begutachtete die Wand. An mehreren Stellen tippte er sie vorsichtig an, und sie begann leicht zu schwingen. Tatsächlich Pappe. Einer der beiden Liebenden schlug mit der Faust gegen das dünne Material. Es bebte bedenklich.
    »Verdammt noch mal!«, erscholl die schroffe Stimme eines Mannes. »Es gibt hier Leute, die schlafen wollen!«
    »So ist es«, gab Dafydd ruhig zurück.
    Er versuchte, es sich wieder auf der knubbeligen Matratze bequem zu machen. Unter seinen nackten Hinterbacken spürte er etwas Grobkörniges. Seine Hand tastete prüfend nach unten. Es fühlte sich wie kleine Krümel an. Vielleicht war es sogar Dreck von jemandem, der sich nicht die Mühe gemacht hatte, seine Stiefel auszuziehen. Hoggs verschmutzter Wohnwagen konnte wohl kaum schlimmer sein, egal, was Dafydds Vorgänger, »Monsieur Docteur Odent«, dort angerichtet haben mochte. Einer seiner Nachbarn furzte. Verärgert drehte Dafydd ihnen den Rücken zu und nahm mit angezogenen Knien eine Embryohaltung ein, um sich vor weiteren Beleidigungen zu schützen. Eine kurze Zeit schlief er unruhig, um dann plötzlich wieder hochzufahren.
    Es war auf den Tag genau sieben Monate her. Selbst jetzt konnte er sich noch an die unzähligen Gläser Tequila erinnern, die er hatte hinunterschütten müssen, unterbrochen von dreifachen Jack Daniels und mehreren Glas Bier. Jerry und Phillipa, zwei seiner lebensfrohen Kollegen in Bristol, hatten diese Party ihm zu Ehren organisiert. Teilweise, um seinen zweiunddreißigsten Geburtstag zu feiern, aber vor allem, weil er seine Ausbildung abgeschlossen hatte und sich nun um einen Facharztposten bewerben konnte. Erst um fünf Uhr morgens war er ins Bett gekommen – froh, dass er sich den Tag als Teil seines Jahresurlaubs freigenommen hatte.
    Um sieben Uhr morgens klingelte das Telefon.
    »Woodruff«, hörte er Briggs, den leitenden Facharzt, »ich kann Sie auf keiner der Listen finden.«
    »Ah … nein, ich habe heute frei.«
    »Egal. Ich möchte, dass Sie mir einen Gefallen tun.«
    Kaum hatte Dafydd aufgelegt, da überkam ihn eine dunkle Vorahnung. Es war, als habe der Schaden, den die Unmengen konsumierten Alkohols in seinem Gehirn angerichtet hatten, seinen sechsten Sinn mobilisiert. Wenn er den blöden Kerl bloß zurückgerufen und sich geweigert hätte, seine Bitte zu erfüllen; er hätte Briggs erzählen sollen, dass er noch immer betrunken und arbeitsunfähig war oder was auch immer. Stattdessen stolperte er unter die Dusche, schluckte Paracetamol, Mundwasser und Instantkaffee, zog sich das am wenigsten verschmutzte Hemd über, das er finden konnte, und dazu eine Trainingshose und fuhr – auch

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