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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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zu einem Sofa geschleppt. An einer Wand waren rötlich-braune Spritzer zu sehen, die aussahen wie getrocknetes Blut. Dafydd fragte sich, ob jemand getötet worden war, aber bei einem raschen Blick ins Schlafzimmer und ins Badezimmer entdeckte er keine Leiche.
    Ein »Einbruch« war das wohl kaum. Eher hatte hier eine Bande Hausbesetzer eine wilde Sauferei veranstaltet. Wut stieg in ihm auf. Was für eine Art, einen Neuankömmling zu begrüßen, der um die halbe Erde gereist war – zu einer Arbeit, die kein anderer normaler Mensch anrühren würde. Aber gut, es war seine eigene Schuld. Er hatte darauf bestanden, die Schlüssel zu bekommen.
    Die an Geldmangel leidende Dame konnte er wohl kaum bitten, diese Scheußlichkeiten zu beseitigen. Am liebsten wäre er sofort wieder verschwunden. Aber Martha war inzwischen mit ihrem klapprigen Taxi fortgefahren, und es wurde Abend. Verdammt, dachte er verärgert, das passt ja wirklich wie die Faust aufs Auge, absolut perfekt. Aber zumindest für eine Nacht geht’s.
    Er zerrte seine Koffer durch die Tür, zog sein einziges Paar Jeans hervor und schlüpfte hinein. Dann krempelte er sich die Ärmel hoch und begann mit der Arbeit.
    »Heilige Mutter Gottes!« Martha trat durch die Tür und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Mir ist gerade eingefallen, dass mein Neffe mir erzählt hat, er habe hier irgendwo eine Party gefeiert. Deshalb dachte ich, dass ich besser nachschaue, ob es nicht genau dieser Wohnwagen war.« Sie blickte sich um und schüttelte traurig den Kopf. »Ist das noch zu fassen?«
    »Was um Himmels willen haben die denn hier bloß getrieben?«, stieß Dafydd hervor. »So was habe ich noch nie gesehen.«
    »Es sind nur Jugendliche, die sich ein bisschen amüsieren.« Martha kreuzte ihre kurzen, kräftigen Arme vor dem Bauch. »Ich habe wahrhaftig schon Schlimmeres erlebt. Man vermietet eben keinen Wohnwagen an einen eingeborenen Jugendlichen. An überhaupt keinen Jugendlichen. Das ist doch wohl klar.« Sie zuckte ausgiebig die Schultern, um deutlich zu machen, dass sich über Ursache und Wirkung nicht streiten ließ.
    Dafydd schaute sie entsetzt an. »Also ist das hier völlig normal. Etwas Alltägliches. Wollen Sie das damit sagen?«
    »Hören Sie«, meinte Martha und stemmte die Hände energisch in die Hüften. »Ich mach Ihnen ’nen Vorschlag. Sie geben mir ein paar Dollar, und ich helfe Ihnen. Hab meine Kotzausrüstung hinten im Valiant.«
    Sie hielt ihm ihre dralle Handfläche hin, und Dafydd händigte ihr die Zwanziger aus, die noch in seiner Hemdstasche steckten.
    Erst nachdem Martha mit ihrem Kotzspachtel den Dreck vom Boden gekratzt hatte, machten sie sich daran, den Herd gemeinsam zurück an seinen Platz zu schleppen. Sie fegten die Trümmer zusammen und kippten ein Bleichmittel über das Ganze.
    Die Frau mit den finanziellen Problemen kam ebenfalls, genau wie ein paar andere Nachbarn, die durch Neugier und einen gewissen Gemeinschaftssinn von der Szene angelockt wurden. Sie hatten ebenfalls unter der Bande zu leiden gehabt, die in dem Wohnwagen gefeiert hatte. Unterschiedliche Reinigungsgeräte wurden herbeigebracht, ebenso eine Thermoskanne mit Kaffee und ein paar vertrocknete Blaubeermuffins. Ein junger Mann besorgte ein trübes altes Stück Plexiglas, und es wurde geschickt mit Packklebeband vor dem eingeschlagenen Fenster befestigt.
    Trotz der Großzügigkeit und der praktischen Hilfe spürte Dafydd, dass seine neuen Nachbarn ihm gegenüber vorsichtig waren. Sogar Martha legte ihre übliche Heiterkeit in Gegenwart der anderen ab und sprach in ziemlich schroffem Tonfall mit ihm. Vielleicht waren Ärzte ja wirklich so verachtenswert, wie sie angedeutet hatte.
    »Wenn Se noch irgendwas brauchen, dann komm’ Se einfach rüber, Doktor«, meinte ein ausgemergelter Mann mittleren Alters mit struppigem Bart und langen, buschigen Koteletten. Er trug eine verdreckte Mütze, unter der ein strähniger grauer Pferdeschwanz hervorhing, und seine Hose wurde von mexikanisch aussehenden Trägern gehalten.
    »Bitte sagen Sie Dafydd zu mir«, bat er die Anwesenden, »und ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe. Wenn ich mich irgendwie erkenntlich zeigen kann, dann lassen Sie mich’s bitte wissen.«
    Der ausgemergelte Mann ging als Letzter. Er blieb auf der Veranda stehen und griff Dafydd leicht am Arm, während er ihm sein Gesicht näherte. Sein Atem roch überwältigend sauer.
    »Ich bin Ted O’Reilly … von nebenan. Was Sie gerade gesagt haben … na,

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