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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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hervorragende Schwester und konnte unglaublich hart arbeiten, aber sie war von einer Kälte umgeben, die er im ersten Moment ihrer Begegnung gespürt hatte und die sich hinter Koketterie und einer grenzenlosen Hilfsbereitschaft verbarg. Er vermutete, dass ihre unbarmherzige Haltung gegenüber einigen Patienten durch die Brutalität der Arbeit entstanden war. Sie hatte die schlimmsten Dinge erlebt und war dadurch abgestumpft. Das größte Rätsel an ihr war, warum sich eine Frau mit ihrem Aussehen und ihren fraglosen Fähigkeiten in einem Ort wie Moose Creek vergrub. Möglicherweise hatte sie, genau wie er, etwas angerichtet … Er würde jemanden über sie befragen, Ian oder vielleicht auch Janie, wenn er sie besser kennengelernt hatte. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, ihr nahe genug zu kommen, um von ihr selbst etwas zu erfahren.
    Während er sich an Sheila vorbei durch die schmale Tür zwängte, überlegte er, warum er solch ein starkes Interesse an ihr hatte. Sie trat nicht zur Seite, und sein Arm streifte ihre Brust. Er riss die Schulter hoch, um dem Kontakt auszuweichen, und ging rasch den Korridor hinunter.
    »Ich sag’s Ihnen«, rief sie hinter ihm her, »sie wird nicht zuhören. Sie ist völlig hysterisch. Ich hab versucht, ihr was reinzudrücken, aber sie ist …«
    Verärgert fuhr Dafydd herum. »Hören Sie auf zu schreien«, zischte er. »Jeder kann Sie hören.«
    Sie wirkte verblüfft, dann lächelte sie. »Wir haben hier keine Heimlichkeiten voreinander.«
    Dafydd wandte sich ab und eilte zu dem Raum, in dem die plötzlich zur Witwe Gewordene auf ihn wartete.
    »Was ist los?«, fragte Ian Brannagan, als sie sich im Flur trafen. »Sie sehen ziemlich blass aus.«
    »Wenn je ein Mann einen Drink benötigt hat …«, stieß Dafydd hervor.
    »Da sprechen Sie mit dem Richtigen«, erwiderte Ian und nahm Dafydd beim Arm. »Ich wollte gerade ins Klondike, um schnell einen zu nehmen. Schnappen Sie sich Ihre Klamotten, und nichts wie weg.«
    Sie sprangen die Treppen hinunter und eilten den Hügel hinab zur Hauptstraße. Mit jedem Schritt wirbelten sie Staub auf. Es war kurz nach sechs, aber die Sonne brannte noch immer auf sie herab, und die Luft flirrte. Durch die Hitze haftete der Gestank des Fleisches Dafydd noch immer in der Nase. Er fühlte die Spuren der Faustschläge an seiner Brust, auf welche die Witwe in ihrem hysterischen Gram eingehämmert hatte. Und seine Hände kribbelten noch immer von dem Griff, mit dem er ihre Handgelenke festgehalten hatte. Es war eine Erleichterung, durch die marmorierten Plastiksäulen in die kühle, belebende Dunkelheit der Bar zu treten.
    Sie setzten sich an einen kleinen Tisch unter der Klimaanlage. Wegen der relativen Frühe war der Raum noch halb leer. Brenda kam angesegelt, auf dem Tablett die gefüllten Gläser.
    »Nein, Schatz, Extra Old Stock«, sagte Ian.
    Brenda sah Dafydd an. »Und was willst du, Süßer?«
    »Scotch bitte. Einen doppelten, mit Eis.«
    Brendas Gesicht war sehr ernst, und als sie ihm seinen Drink brachte, hatte sie großzügig eingeschenkt.
    »Ich hab’s gehört«, sagte sie und tätschelte ihm mitfühlend die Schulter.
    »Schon?«
    »Ein paar Burschen aus dem Sägewerk waren gerade hier«, flüsterte Brenda.
    »Stopp«, mischte sich Ian mit gerunzelter Stirn ein. »Erzählen Sie mir nicht, zu welcher Art von ›Willkommen in Moose Creek‹-Einsatz Sie geschickt wurden, bevor ich nicht ein paar intus habe.«
    Kaum hatte Ian seine Flasche in einem Schluck halb leer getrunken, als Brenda zurückkam und ihm auf die Schulter klopfte. »Anruf für dich, Kumpel. Du musst sofort zur Notaufnahme.«
    »Scheiße.« Ian kippte den Rest des Inhalts hinunter. »Kann der diensthabende Arzt nicht mal einen Moment haben, um sich zu stärken?«
    Als Ian hinausschlenderte, blieb Brenda am Tisch stehen. Mit einem Seufzer stellte sie ihre schwere Last ab und begann, ihre Schultern kreisen zu lassen. Dabei stöhnte sie übertrieben. Sie setzte sich auf den Stuhl, den Ian freigemacht hatte, und drehte Dafydd den Rücken zu. »Tun Sie mir einen Gefallen, Doc, und kneten Sie meine Schultern, ja? Eine Kurzmassage.«
    Dafydd drehte sich zur Bar um, aber niemand schien sich für ihr Verhalten zu interessieren. Er legte die Hände auf ihre wohlgeformten Schultern und begann, sie kräftig zu massieren. Sie trug ein knappes rotes Top, das von zwei dünnen Trägern gehalten wurde. Die Wärme ihres Fleisches hatte eine wohltuende Wirkung auf seine Hände, nachdem diese

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