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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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Dafydd stieg vorsichtig über die Schwelle und betrat die Wohnung.
    »Wieso haben sie nicht gebellt, als ich hier raufgefahren bin?«
    »Ha!«, rief Bear triumphierend und sichtlich erfreut über die Frage. »Ich hab sie so trainiert. Und es ist ’ne Meisterleistung, das kann ich ruhig so sagen. Die meisten Leute behaupten, dass Sie es einem Husky nicht abgewöhnen können zu bellen, es sei denn, Sie haun ihm eins mit ’nem Knüppel über den Kopf.« Bear rieb sich vergnügt die Hände. »Wenn einer versucht, hier reinzukommen, während ich weg bin, erwartet ihn ’ne höllische Überraschung. Keinerlei Vorwarnung.«
    Bear wies auf einen ramponierten alten Lehnstuhl, und Dafydd setzte sich. Er wünschte, er hätte auf die Krankenschwester mit dem Karottenhaar gehört und sich salopper angezogen. Sein Festhalten an beruflichen Gepflogenheiten war lächerlich deplatziert.
    »Was ist, wenn die betreffende Person in freundlicher Absicht kommt?«, fragte er. »Beispielsweise der Postbote oder jemand, der sich verlaufen hat?«
    »Der Postbote?«, wiederholte Bear überrascht. »So was gibt’s hier draußen nicht.« Er begann, große Mengen Nescafé in zwei Blechbecher zu löffeln. »Wenn jemand dumm genug ist, uneingeladen in mein Haus zu kommen, und dabei ist es mir egal, ob er sich verlaufen hat oder freundliche Absichten hegt, dann bietet er meinen Hunden hier ’ne prima Mahlzeit.« Er kicherte böse und goss kochendes Wasser aus einem Aluminiumkessel in die verbeulten Becher. »Die Wahrheit ist, dass niemand ohne Grund herkommt. Und der Grund könnte alles Mögliche sein, nur nichts Freundschaftliches, stimmt’s?«
    Er humpelte zu Dafydd hin und reichte ihm einen dampfenden Becher schwarzen Kaffee. Die Flüssigkeit war mit etwas Süßem, fraglos Alkoholischem versetzt. »Ich hab da so ’ne Verdickung am Arsch.«
    »Lassen Sie mich’s in einer Minute anschauen.«
    Der Kaffee war bitter, aber belebend. Inzwischen hatten sich Dafydds Augen an die Dunkelheit gewöhnt. In der Einzimmerhütte stand ein schwerer Holztisch mit je einem Stuhl an beiden Seiten; außerdem ein kleiner Gaskocher, dessen Kanister an die Wand gebunden war. Über einer Keramikschüssel auf einem Holzgestell hing ein gesprungener Spiegel. Offenbar gab es kein fließendes Wasser. In einer anderen Ecke des Raums stand ein Doppelbett mit einem schmuckvoll geschnitzten Kopfteil. Diese Heimstatt erinnerte ihn an ein Freilichtmuseum, das er als Kind geliebt hatte und in dem man das Leben im Mittelalter betrachten konnte.
    Der alte Mann selbst wirkte wie ein typischer Indianerhäuptling, genau so, wie Dafydd sie in Wildwestfilmen gesehen hatte. Eine lange Hakennase und eine würdevolle Haltung. Ein hageres, sonnengebräuntes Gesicht, dünne Lippen und halb verdeckte Augen. Die Zöpfe. Das Einzige, was fehlte, waren der Federkopfschmuck und der Lendenschurz. Dafydd musterte ihn voller Entzücken und Bewunderung. Konnte er den Mann vielleicht bitten, sich von ihm fotografieren zu lassen, oder war das taktlos? Übrigens sah Sleeping Bear nicht so aus wie die meisten anderen Indianer, denen er in dieser Gegend begegnet war. Die Ureinwohner waren stämmiger und kleiner. Sie hatten eine Neigung zur Fettleibigkeit und runde Gesichter.
    »Also leben Sie hier ganz allein?«
    Der Mann hatte die achtzig längst überschritten, und seine robuste Erscheinung konnte seine Gebrechlichkeit nicht verdecken.
    »Ja, sicher«, antwortete Bear stolz. »Und mischen Sie sich ja nicht ein, um das zu ändern. Ich geh auf gar keinen Fall in irgendeine Anstalt, das sag ich Ihnen.«
    »Gut, dann lassen Sie uns mal sehen, was für eine Verdickung Sie am Arsch haben, damit Sie auch weiter für sich selbst sorgen können.«
    »Ich hab einen Enkel, der ab und zu nach mir guckt. Er achtet darauf, dass ich alles habe, was ich brauche.«
    Bear konnte seine Hose nicht hinunterziehen, und es bedurfte einiger Überredungskünste, ihn zu bewegen, sich über den Tisch zu beugen.
    »Wie schaffen Sie es … auf die Toilette zu gehen?«, fragte Dafydd, während er mit einem Fadenziehmesser das hart gewordene Leder von Bears Hose an den Stellen wegschnitt, wo es an der eiternden Wunde seines Gesäßes festgeklebt war.
    »Tu ich nicht«, antwortete Bear kleinlaut.
    »Was macht er denn?«, fragte Dafydd und versuchte, sein Entsetzen über den heruntergekommenen Zustand des alten Mannes zu verbergen. »Ihr Enkel.«
    »Dies und das«, meinte Bear ausweichend. »He, ruinieren Sie mir meine beste

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