Zeit der Eisblueten
irgendetwas angeht.«
»Falsch, mein Freund. In meiner Funktion als Medizinischer Direktor habe ich die Pflicht, mich mit dem … äh … gesetzwidrigen Verhalten des mir unterstellten medizinischen Personals zu befassen.«
Dafydd quälten stechende Kopfschmerzen, und er war kurz davor, sich zu übergeben, obwohl er nichts als eine Tasse Tee im Magen hatte.
»Momentan bin ich hier Patient, George. Ich hatte einen Unfall. Ich habe bitte schön einen Riss an meinem Kopf und eine schwere Gehirnerschütterung.« Dafydd rang nach Luft. »Also bitte, mein Freund, hören Sie auf, mir zuzusetzen, weil ich Ihnen sonst auf die Schuhe kotze.«
Er war über seine eigenen Worte überrascht. Vielleicht war es die Morphinspritze, die ihn so sorglos machte. Innerlich fuhr er zusammen, denn er wusste, dass er sich gerade ein tiefes, schwarzes Loch gegraben hatte – von der Größe eines Sarges. Payne-Lawson konnte ihm das Leben extrem schwer machen.
»Ich muss schon sagen, mir gefällt gar nicht, was ich hier sehe«, sagte Payne-Lawson frostig, aber er trat für den Fall zurück, dass seine Schuhe vollgespritzt wurden. »Ein paar Leute haben sich über Ihre Leistung in den vergangenen Wochen geäußert. Wenn Sie irgendwelche persönlichen Probleme haben, dann empfehle ich Ihnen, dass Sie sich etwas Urlaub nehmen. Ich habe gehört … dass Ihre Frau abgehauen ist.«
Dafydd war schockiert. Ärzte verleumdeten oder verrieten einander selten. Er fragte sich, wer mit Payne-Lawson über ihn gesprochen haben mochte. Jedenfalls irrte sich der Mann. Dafydds Frau war nicht »abgehauen«, verdammt noch mal.
»Soviel ich weiß – aber vielleicht wissen Sie ja mehr als ich –, befindet sich meine Frau auf einer Geschäftsreise. Ist es unbedingt nötig, mein Privatleben hier in aller Öffentlichkeit zu diskutieren?«
»Ich sage nur, dass es einen Einfluss auf Ihre Leistung zu haben scheint.«
Zafar war, wenn auch ein wenig kindisch, ein Mann von makelloser Ethik. Offensichtlich bedrückt wandte er sich nun an Payne-Lawson. »Bitte, bitte, könnten Sie vielleicht bis später warten? Dr. Woodruff befindet sich in meiner Obhut. Er regt sich auf. Das ist nicht gut. Er hat eine Kopfverletzung.«
Payne-Lawson öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, aber seine Stimme wurde durch das plötzliche, durchdringende Schreien eines Kleinkindes im Nebenzimmer übertönt. Die schrillen Töne erstickten all die anderen unzähligen Geräusche in der Notaufnahme. Dafydd hatte das Gefühl, selbst zu schreien. Die Vibration hallte in seinem Kopf wider und schellte wie eine Million Glöckchen. Schlafen … wenn es ihm nur erlaubt wäre zu schlafen. Einfach schlafen und dann aus diesem bösen Traum aufwachen. Aufwachen in seinem wirklichen Leben, so wie es gewesen war: eingebettet in Normalität und Zufriedenheit.
Am Nachmittag, zwanzig Stunden nach dem Unfall, glaubte man, ihn nach Hause entlassen zu können. Margaret, eine freundliche und mütterliche Krankenschwester, die er schon länger kannte, brachte ihm seine Kleidung. Mit der Hose hatte er Probleme, weil sich sein Knie nicht richtig beugen ließ. Und sein Kopf fühlte sich so groß an, als wäre sein Gehirn geschwollen.
»Ihre Frau hat gerade angerufen. Sie ist nahe der M 4-Abzweigung und dürfte nicht länger als eine Stunde brauchen. Das arme Ding, sie ist den ganzen Tag durchgefahren. Die ganze Strecke von Glasgow – du liebe Güte.«
Dafydd versuchte, sein Hemd zuzuknöpfen, aber sein linkes Handgelenk war geprellt, und Margaret beugte sich vor, um ihm zu helfen.
»Sie müssen sich unbedingt noch ein paar Tage schonen«, meinte sie sanft. »Na los, Mr Woodruff, warum bitten Sie Ihre wunderbare Frau nicht, mit Ihnen ein paar Tage Urlaub an der Sonne zu machen? Auf Teneriffa beispielsweise oder auf einer der Inseln dort. Da ist’s wirklich wunderschön. Sie können direkt von Cardiff aus hinfliegen. Ein Katzensprung.«
Dafydd musterte sie misstrauisch. »Sagen Sie … wissen es tatsächlich schon alle?«
Margarets graue Augen, deren Winkel durch fünfzig Jahre Lächeln in feine Fältchen gelegt waren, blickten ernst. »Die tratschen gern ein wenig, Mr Woodruff, aber achten Sie einfach nicht darauf. Ich könnte Ihnen ein paar Geschichten erzählen, die Ihnen die Haare zu Berge stehen lassen würden.« Sie beugte sich zu ihm, legte ihre warme Hand auf seine und flüsterte : »Es tut mir leid, dass Ihnen die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Ich wollte nur erwähnen, dass mein Sohn Llewellyn
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