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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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nicht, warum ich Sie so reize.«
    Sheila gab nicht klein bei, aber sein direkter Appell hatte sie eindeutig aus der Fassung gebracht. »Nein«, sagte sie schließlich. »Sie reizen mich nicht im Geringsten. Ich bin viel zu beschäftigt, um mich durch stellvertretende Ärzte reizen zu lassen; durch Menschen, die diesen Ort nur als Zwischenstation nutzen. Dies ist mein Revier. Ich möchte bloß dafür sorgen, dass alles richtig läuft.« Sie wirkte ein wenig durcheinander, als sie sich abwandte und ging.
    Dies ist mein Revier. Es stimmte, sie war ein großer Fisch in einem kleinen Teich. Wo sonst konnte sie solch eine Macht ausüben? Das war sicherlich ein Grund, warum sie in Moose Creek steckengeblieben war. Dafydd sank auf seinen Stuhl und atmete aus. Er war hundemüde.

KAPITEL
7
    Cardiff, 2006
    D IE HELLE M ORGENSONNE , die durch das Fenster hereinschien, passte irgendwie nicht zu seiner zugeschnürten Kehle. Er hatte den Eindruck, die Kontrolle verloren zu haben, da er sich nicht an die Einzelheiten des Unfalls in der vorherigen Nacht erinnern konnte. Der Zusammenstoß, die Polizeibeamten, der Krankenwagen, seine aggressive Weigerung, den Alkoholspiegel in seinem Blut testen zu lassen – an nichts davon konnte er sich erinnern.
    Dafydd beobachtete, wie eine Krankenschwester, offenbar im Schulmädchenalter, die Vorhänge um sein Bett aufzog. Dann blieb sie mit eifriger und interessierter Miene stehen, während ein großer, gut aussehender Mann mit glatter, schokoladenfarbener Haut Dafydd sanft betastete und den Verband von seinem Kopf entfernte. Zafar Thakurdas lachte und witzelte, während er den oberflächlichen Schnitt an Dafydds Kopf begutachtete.
    »Das war wohl ’ne Nudelholzattacke, Dr. Woodruff?«
    »Nudelholz?«
    »Sie kommen spät in der Nacht nach Hause, ziemlich angeschlagen, und die Frau wartet hinter der Tür mit einem Nudelholz. Und dann KNALL – sie hat Sie erwischt.«
    Die junge Krankenschwester kicherte, und Zafar zwinkerte ihr zu. Dafydd war nicht in der Stimmung für Albernheiten und schloss protestierend die Augen.
    »Mann, da hast du’s: KNALL. Du schäkerst mit den Mädchen rum, ha, ich werd dich schon hübsch durchwalken.« Zafar Thakurdas schwang ein imaginäres Nudelholz. »In meinem Land schleicht sich die Ehefrau nachts an einen ran und SCHNIPPS …« Er nahm ein Fadenziehmesser vom Tablett und stieß damit über Dafydds Leiste in die Luft. Die Krankenschwester kicherte schamlos.
    »Geben Sie nicht so an«, stöhnte Dafydd.
    Ein strenges Gesicht erschien in der Tür. Zafar atmete tief durch und richtete sich ehrerbietig auf. »Dr. Payne-Lawson«, erklärte er mit breitem Lächeln, »ich sehe mir gerade Dr. Woodruffs … äh … Schramme am Kopf an.«
    Dafydd reckte sich und fluchte leise beim Anblick des Medizinischen Direktors, eines unbeliebten Mannes, mit dem er nie ausgekommen war. Zu den sich ständig mehrenden Ärgernissen in seinem Leben gehörten nun auch noch seine physische Ramponiertheit und die Demütigung, die sein eigener Vorgesetzter an seinem eigenen Arbeitsplatz miterlebte.
    Payne-Lawson kam herein und musterte ihn. »Was haben wir denn hier?« In den Augen des Mannes zeigte sich eine Spur hämischer Schadenfreude. Er schnupperte, und sein Gesicht verriet einen leichten Abscheu beim Anblick des Erbrochenen, das auf den Rand von Dafydds Kissen gespritzt war.
    Dafydd wusste, dass er schrecklich aussah. Er hatte ein blaues Auge, einen Stoppelbart und schmutzige Fingernägel. Sein Mund schmeckte – und roch vermutlich – so, als wäre eine Herde algerischer Kamele hindurchmarschiert.
    »Ich nehme an, dass Sie heute Morgen nicht arbeitsfähig sind«, lachte Payne-Lawson hochmütig, aber seine Augen blieben schmal und niederträchtig.
    »Auf keinen Fall«, bestätigte Zafar Thakurdas. »Er braucht ein paar Tage Ruhe. Er hat eine Gehirnerschütterung.«
    Payne-Lawson ignorierte den Assistenzarzt unhöflich. »Wie ich höre, haben Sie zum Zeitpunkt des Unfalls unter Alkoholeinfluss gestanden.«
    »Nicht sonderlich«, entgegnete Dafydd.
    »Unsinn, Woodruff, ich bin sicher, dass Sie noch immer betrunken sind. Ihr Blutalkoholwert war extrem hoch. Die Polizeibeamten sagen, dass Ihnen die Fahrerlaubnis für mindestens ein Jahr entzogen wird. Ich hoffe aufrichtig, dass Ihre Bereitschaftsdienste dadurch nicht beeinträchtigt werden. Nun, darüber werden wir uns später unterhalten müssen.«
    »Ja, später«, stimmte Dafydd zu. »Obwohl ich nicht glaube, dass Sie das alles

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