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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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in ihren Häusern eingesperrten Menschen auch tun? Ein paarmal landete Dafydd in dem Motelzimmer einer sehr lebhaften Handelsreisenden. Anette Belanger war eine große Frau Mitte dreißig mit blondiertem Haar. Sie war bestens für die Härten ihrer Arbeit geeignet, die darin bestand, gefrorene Lebensmittel an Hotels und Restaurants in den entlegensten Orten zu verkaufen. Ihr schallendes Gelächter und ihre wilden Reisegeschichten über das Geschäft mit der Lebensmittelversorgung in allen Ecken Kanadas amüsierten ihn immer wieder. Sie brachte ein wenig Freude in sein beschwerliches Leben, und ihr kräftiger weißer Körper erschien ihm als ehrlicher Ruheort, zumal sie ihn häufig aufforderte, sich daraufzulegen.
    Nach ihrem fünften Besuch in Moose Creek rief sie ihn an und teilte ihm mit, dass sie nicht mehr kommen werde. Ihr Mann wollte nicht, dass sie dauernd unterwegs war, und darum hatte sie eine andere Arbeit in ihrer Heimatstadt Calgary angenommen. Das war das erste Mal, dass Dafydd von einem Ehemann hörte. Sie musste gespürt haben, dass er sich von verheirateten Frauen fernhielt. So viel zur Ehrlichkeit.
    Der geschwollene Knöchel setzte einem weiteren Abenteuer ein Ende. Ian hatte ihm ein Paar alte Langlaufskier gegeben. Außerdem hatte er sich aus einem Katalog ein Paar Skistiefel bestellt. Während er durch die Wälder glitt und dabei die bequemerweise von Motorschlitten hinterlassenen Spuren benutzte, hatte er eine Stille und eine blendende Weiße erlebt, die all seine bisherigen Erfahrungen übertraf. Diese Schönheit sprach mehr als nur die Sinne an. Sie brachte ihm etwas Ewigem näher, war ein Zeichen der Unsterblichkeit, ein langer, weißer Schlaf.
    Die Tage waren kurz und wurden noch kürzer. Er hatte lediglich eine in seine Mittagspause gequetschte Stunde, um sich dort draußen mit Licht und Luft vollzupumpen. Doch mit dem Monat schritt auch die Kälte voran, und das Skifahren hing nicht mehr davon ab, ob er seinen Fuß belasten konnte oder nicht. Bei Temperaturen von unter minus dreißig Grad glitten die Skier nicht mehr, und die anästhesierende Wirkung der Kälte wurde zur Gefahr. Wenn ein Fuß, eine Wange oder ein Ohr empfindungslos wurden, konnte dies innerhalb von Minuten zu Erfrierungen führen, und wenn ein Mann anhielt, um zu pinkeln, setzte er sich ebenfalls einem zu großen Risiko aus. Dafydd hatte also keine andere Wahl, als an Ort und Stelle zu bleiben.
    Er merkte, wie er durch die Untätigkeit und Platzangst halb verrückt wurde. Also bandagierte er seinen Knöchel und humpelte in seinen aus Elchleder gefertigten, auf dem Eis haftenden mukluks in der Stadt umher. Auf der Hauptstraße herrschte stets ein reges Treiben, doch der Rest der Stadt wirkte wie ausgestorben. Niemand ging zu Fuß, es sei denn zum Einkaufen, Trinken oder Krawallmachen.
    Das erste Kälteopfer, mit dem Dafydd konfrontiert wurde, war ein junges Inuitmädchen, das entweder vergewaltigt worden oder eine betrunkene, doch willige Teilnehmerin einer Gruppenrammelei gewesen war. Die Tat fand in einem Lieferwagen auf einem verlassenen Parkplatz statt, und als die Jugendlichen fertig mit ihr waren, wurde das Mädchen aus dem Auto geworfen und sich selbst überlassen. Sie hatte sich noch nicht einmal ihren Parka wieder angezogen, und als sie am Morgen gefunden wurde, war ihr Körper zu Eis erstarrt. Die drei Jugendlichen saßen in einer ans Polizeirevier angrenzenden, für nur eine Person ausgelegten Zelle und warteten darauf, ins Gefängnis nach Yellowknife überführt zu werden.
    Das Ereignis erschütterte Dafydd. Er hatte in den vier Monaten seit seiner Ankunft viele auf grausame Weise Gestorbene gesehen, aber dieser Fall war besonders schockierend. Als das Mädchen in die Klinik gebracht wurde, kannte er die genauen Umstände ihres Todes noch nicht. Aber es gab keinen Zweifel, dass sie in ihren letzten Lebensstunden an sexuellen Aktivitäten beteiligt gewesen war. Ihre durch die Kälte und die Totenstarre steifen Beine auseinanderzupressen, um die erforderlichen Abstriche vorzunehmen, war wie eine weitere Schändung. Aber er konnte nicht abwarten, bis Dr. Gupta, der in bestimmten Zeitabständen vorbeikommende Pathologe, seine Runden machte, denn schließlich konnte ein Verbrechen vorliegen.
    Das Mädchen war noch so jung, sechzehn oder siebzehn. Ihre Haut war durchsichtig weiß, aber abgesehen von einem langen schwarzen Bluterguss an der Hüfte schien sie unverletzt zu sein und zu schlafen. Überreste roten Nagellacks

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